01.01.2021


Suli Puschban: „Rette mich!!!“



Hilfeschrei mit punkiger Attitüde



Seit dem Erscheinen ihres Debut-Albums „Ich sehe aus wie Elvis“ (2004) hat sich Suli Puschban einen guten Ruf als Kindermusikerin erarbeitet – nicht nur in der eigenen Szene, sondern auch weit darüber hinaus. 2019 wurde sie mit dem Musikautorenpreis der GEMA ausgezeichnet (ein Wettbewerb, der Kindermusiker*innen normalerweise überhaupt nicht berücksichtigt) und in diesem Rahmen als „Ausnahmeerscheinung“ in Sachen Kinderlied gewürdigt. Mit „Rette mich!!!“ hat sie ihr viertes Studioalbum veröffentlicht und begibt sich damit einmal mehr auf eine besondere Mission.

Schon das Artwork der Platte gibt die Marschroute vor. Wie eine Supernova strahlt einem der Titel der Platte auf dem Cover entgegen, im Booklet posiert Suli Puschban mit ihrer Band „Kapelle der guten Hoffnung“ selbstbewusst im Stil einer Raumfahrt-Besatzung vor der Kamera. Schon rein visuell distanziert sich die Musikerin damit von den üblichen Klischees gut gemeinter Kinderunterhaltung – und musikalisch steht das Werk diesem Anspruch in nichts nach.

Puschbans Alleinstellungsmerkmal ist ihr biografisch angelegter Mix aus Wiener Schmäh und Berliner Schnauze. Geprägt von der multikulturellen Lebensrealität in ihrem Stadtteil Kreuzberg, bezeichnet sich die Musikerin selbst als „Rebellin der Kindermusik“ und bringt dieses Selbstverständnis auf unterschiedlichste Weise zum Klingen.
Schon mit dem funky Opener „Supergirl“ ermutigt sie ihre Zuhörer*innen zu Selbstbewusstsein und rastlosem Widerstand. (»Supergirl, Supergirl, schau was sie alles kann / und wenn alles geschafft ist fängt’s von vorne an.«) Der zweite Song „Wir stehen auf“ schwingt sich musikalisch als Hymne der jüngsten Generation empor und fordert den Mut zu eigener Haltung ein. (»Wir stehen auf und mischen uns ein / ein Ja ist ein Ja, ein Nein ist ein Nein / wir stehen auf / der Tropfen höhlt den Stein.«) Im Wechsel zwischen entspanntem Rocksteady und Uptempo-Ska stellt „Frag deine Freundin“ augenzwinkernd Geschlechter-Stereotypen in Frage. Und im rockigen „Selfie“ fordert sie auch Eltern zur kritischen Reflexion ihrer Vorbildfunktion heraus. (»Ich mach so gern ein Foto von mir selbst / die große Welt wird klein und passt ins Handy rein.«)

Dass das Album trotz dieser mehr oder weniger ernsten Themen in seiner Gesamtheit nicht inhaltlich überfrachtet daherkommt, ist insbesondere seiner musikalischen Abwechslung und der gekonnten Spielfreude der Band zu verdanken. In fast jedem Lied werden akustische Welten erschaffen, die den jeweiligen Inhalt klug illustrieren. In „Space Forces“ katapultiert das Solo einer singenden Säge die Zuhörer*innen direkt in den Weltraum, „Oh die See“ bedient im positivsten Sinne alle Klischees eines Seemannslieds und in „Sympathie für die Lokomotive“ gibt eine stampfende Dampflok den Takt an. Zum Abschluss täuscht „Ahoi“ mit seinen monoton zirkulierenden Sounds sogar ein Schlaflied vor, besingt tatsächlich aber das Wirken eines Holzwurms, der sich auf einem Schiff seiner eigenen Lebensgrundlage beraubt (»Ahoi du Opportunist / ob du dich am Ende selber frisst?«) und findet damit eine gelungene Metapher für die ganze Widersprüchlichkeit unseres menschlichen Daseins.

Fazit: In der Summe klingt „Rette mich!!!“ genauso divers, wie die Welt, für die Suli Puschban einsteht und die sie unermüdlich besingt. Zwar gibt es zweifellos geschultere Sänger*innen, doch was nützt die virtuoseste Stimme, wenn man nichts zu sagen hat? Gerade ihre leicht punkige Attitüde kennzeichnet Puschbans Stil in besonderer Weise. Sie komponiert keine Hits für den Dudelfunk, sondern überzeugt durch Individualität und künstlerische Glaubwürdigkeit. Damit bereichert sie nicht nur das Spektrum zeitgemäßer Kindermusik, sondern dient auch anderen Kindermusikerinnen als Vorbild. In diesem Sinne könnte man den Album-Titel „Rette mich!!!“ auch als Hilfeschrei einer nach wie vor unterschätzten musikalischen Gattung interpretieren, die definitiv noch mehr weibliche Stimmen verträgt.


Video




Erschienen bei


Edition Punkpanda/41065 Musikverlag

Veröffentlicht


2019

Bewertung der Redaktion: 5/5


Künstler*in



Bandfoto Suli Puschban und Die Kapelle der guten Hoffnung

Suli Puschban

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