01.01.2021


Sebó: „Schokkoli und Brokolade“



Quereinsteiger mit beeindruckendem Talent



Sebastian Bosum aka Sebó gehört zu den klassischen Quereinsteigern der Kindermusik-Szene, bringt als Rapper, Sänger, Breakdancer und Schauspieler aber reichlich Bühnen-Erfahrung und zweifellos auch jede Menge Talent mit. 2015 veröffentlichte er sein Debut-Album „Alles was noch kommt“, mit dem er sich allerdings ausschließlich an erwachsene Hörer*innen richtete. Nun, fünf Jahre später, wechselt er die Zielgruppe und versucht sich mit „Schokkoli und Brokolade“ daran, auch sein Können als Kindermusiker unter Beweis zu stellen.

Die spielerische Wortverdrehung im Albumtitel lässt bereits erahnen, womit Kinder es hier zu tun kriegen – und sogleich bestätigt der gleichnamige Opener diesen Verdacht: Zusammen mit Gastmusiker Das Bo rappt sich Sebó in „Schokkoli und Brokolade“ im Eiltempo durch allerlei absurde Wortgebilde. Unmittelbar darauf folgt mit „Thiago fährt am liebsten Bus“ ein Song, der sich musikalisch wie textlich absolut organisch in das Repertoire von Deichkind einfügen würde. (»Kein Laufrad oder Bobbycar er hat keine Lust / Der Thiago, der Thiago fährt am liebsten Bus. / Auto oder U-Bahn nur dann wenn er auch muss / doch der Thiago, der Thiago fährt am liebsten Bus«). Auch das vom Autotune-Effekt dominierte „Alles mit ohne“ ahmt populäre Vorbilder nach. Nach diesen drei Songs glaubt man, die wesentlichen Stilmerkmale des Albums ausfindig gemacht zu haben. Und manch einer wird an dieser Stelle zu dem vorschnellen Urteil gelangen, dass Sebó offenbar nicht darüber hinauskommt, die markantesten Merkmale zeitgenössischer Rap-Musik für ein junges Publikum zu reproduzieren. Doch dann vollzieht er einen unerwarteten Stilbruch.

Mach hinne“ überrascht mit sanften akustischen Gitarren, perfekt intoniertem Gesang und spült die Gehörgänge nochmal komplett durch. Ist das tatsächlich noch die gleiche Platte? Die Frage bekommt bei „Papa du bist peinlich“, dem nach meinem Dafürhalten mit Abstand besten Song des Albums, nochmal besonders Gewicht. So groovy, jazzy und funky hat Kindermusik hierzulande noch nie geklungen. Im Zusammenspiel mit Sebós souliger Stimme ist das Lied in seiner Gesamtheit dermaßen stilecht, dass es einen direkt vom Stuhl holt und auf die Tanzfläche zerrt – obwohl er davon singt, dass eben genau das aus Kinderperspektive so extrem peinlich ist.

Nicht nur in diesem Song entfernt sich Sebó im Text allerdings von der Perspektive der Kinder. Auch in „An deiner Hand“ und „Daddy Daddy“ zieht er es vor, durchaus glaubwürdig die Liebe eines Papas zu seinem Kind zu besingen. Offenbar hat er gesteigerten Bedarf, seine Vaterrolle auch musikalisch zu reflektieren. Diese Beobachtung macht „Schokkoli und Brokolade“ aber nicht weniger empfehlenswert. Denn in den übrigen Liedern reißt Sebó dermaßen viele Genre-Grenzen ein und macht auch inhaltlich einen so abwechslungsreichen Rundumschlag, dass das Zuhören für Eltern wie Kinder eine einzige Freude sein dürfte: Süßer Naschkram, nervige Nachbarn, Geschwisterliebe, stinkende Füße, Fahrradfahren – allesamt Themen, die nicht anstoßen, sondern direkt an den familiären Lebensalltag andocken.

Fazit: Inhaltlich hat Sebó das Kinderlied nicht unbedingt neu erfunden. Seine Themenwahl fällt klassisch aus, bleibt weitestgehend brav, driftet aber auch nie in nervige Klischees ab und ist sprachlich angenehm verspielt. Musikalisch jedoch gelingt es ihm, ein breites stilistisches Spektrum abzubilden, das von Justin Timberlake über Jack Johnson bis hin zu Trettmann reicht. Mit großer kompositorischer Sorgfalt erschafft er daraus etwas für den Kindermusik-Markt komplett Neues. Verwundert reibt man sich nach vierzehn Songs die Augen (oder besser gesagt: die Ohren) und fragt sich, wie ihm die zahlreichen Wendemanöver gelingen konnten, ohne in Beliebigkeit abzudriften? Dieser mutig-unbefangene Umgang mit verschiedensten Genres ist bemerkenswert. Glückwunsch zu einem so starken Kindermusik-Debut!


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Erschienen bei


Palm Boat Music/Argon Verlag GmbH

Veröffentlicht


2020

Bewertung der Redaktion: 5/5


Künstler*in



Pressefoto Sebo

Sebó

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