30.10.2020


Zuckerblitz Band: „Achtung Kokosnuss!“



Zwischen traditionellem Kinderlied und freigeistiger Jugendkultur



Schon wieder kapern zwei Popkultur-Profis die Gattung Kindermusik. Noch vor wenigen Jahren hätten sich die meisten professionellen Musiker*innen eher eine Hand abgehackt, als Kinderlieder zu singen. Heute ist das anders. Grundsätzlich ist das wunderbar, aber kommt diese Entwicklung tatsächlich auch der Qualität von Kindermusik zugute?

Im Fall der Zuckerblitz Band hat weniger unternehmerisches Kalkül, sondern vielmehr der Zufall zur Entstehung des Albums „Achtung Kokosnuss!“ geführt. Gemeinsam mit ihren Familien entspannten die beiden Freunde Porky (Deichkind) und Malo (Songwriter u.a. für Adel Tawil und Andreas Bourani) unter Kokosnusspalmen auf Hawaii, als ihren Kindern dort die Idee zur Bandgründung kam. So erklärt sich, warum das Album mit den Worten »Was donnert denn da nur so laut durch den Flur? / Eine Furzexplosion von einem Mutanten-Klon« beginnt. Schone diese Zeilen legen den Verdacht nah, dass die Kinder gewichtigen Anteil am Songwriting hatten. Doch nicht nur hinsichtlich seiner Lyrics wartet die Produktion mit der ein oder anderen Überraschung auf. Auch musikalisch bewegt sie sich in einem für Kindermusik eher ungewöhnlichen Kosmos zwischen Punk, New Wave und Elektro.

Klassisch ist dagegen das thematische Spektrum der insgesamt dreizehn Songs geraten: Es geht um Langeweile, Geschenke, Fahrradfahren, Haustiere oder nervige Eltern – um eben all das, was Kinder bewegt und beschäftigt. Ihr kreativer Input zur Platte wird in vielen Songs deutlich hörbar, etwa in „Judo und Karate“ oder „2gegen1“. Sehr gelungen ist auch „Funparkbesitzer“, ein Lied, in dem die Kinder zu zackigen Offbeats klassische Traumberufe kritisch sezieren. Auch „Abgesahnt“ überzeugt, denn es findet die wahrscheinlich aufrichtigsten Worte, die jemals über die kindliche Gier nach Geschenken verloren wurden. Rein sprachlich sind die Texte zwar nicht gerade virtuos geraten, gewinnen aber gerade dadurch an Authentizität. Außerdem eilen die Väter ihren Kindern immer wieder zur Hilfe. Wenn es in „Weltbewohner“ zum Beispiel heißt: »Alles Geld kommt in‘ Betonmischer / wird mit Honig angerührt / damit bauen wir eine Brücke / die in alle Richtungen führt«, dann schimmert deutlich die Perspektive Erwachsener durch. Ähnliches lässt sich beim Lied „Langweilig“ beobachten: »Papa, mir ist langweilig / mein Spielzeug kickt nicht / ich weiß es ist nicht gut für’s System / doch ich würd gern ein bisschen fernsehen.« Und auch wenn die Grundidee zu „Spaghetti“ von den Kindern gekommen sein mag: Der mit Unterstützung von Mille Petrozza (Kreator) und Marc Görtz (Caliban) sehr stilecht vorgetragene Trashmetal-Song klingt in erster Linie nach verspielt-musikalischer Rückbesinnung der Elterngeneration.

Macht aber nichts. Denn gerade durch die unvoreingenommene Zusammenarbeit von Alt und Jung gewinnt „Achtung Kokosnuss!“ an besonderer Lebendigkeit. Die Kinder prägen die Perspektive der Eltern, die Eltern die musikalische Umsetzung der Kinderlieder. Das ist Teamwork auf Augenhöhe, die im Ergebnis durchaus überzeugt. Dabei ist die Platte vor allem eines: Laut! Entspannte Momente hat die Produktion kaum zu bieten, außer vielleicht während der Reggae-Nummer „Haustier“. In der Regel bleibt der Verzerrer bei der Zuckerblitz Band aber immer voll aufgedreht.

Fazit: „Achtung Kokosnuss!“ ist ein kompromissloses stilistisches Bekenntnis, das nicht allen Ohren schmeicheln will. Gerade diese künstlerische Eigenständigkeit zeichnet die Produktion besonders aus. Gekonnt und doch verspielt schlägt das Album die Brücke zwischen traditionellem Kinderlied und freigeistiger Jugendkultur. Am deutlichsten kommt das im letzten Titel „1min“ zum Ausdruck, ein von Schlafliedern inspirierter Song, der eben doch kein Schlaflied ist. Mit seinem künstlerischen Ansatz erschafft "Achtung Kokosnuss!" eine kindgerechte Zwischenkultur und eröffnet zugleich neue kreative Gestaltungsspielräume im Kinderlied. Schön, dass sich Porky und Malo nicht davor scheuen, auch für Kinder Musik zu machen. Damit dürfte einmal mehr bewiesen sein, warum die üblichen Vorbehalte gegenüber Kindermusik endgültig der Vergangenheit angehören sollten.


Video




Erschienen bei


Universal Music GmbH

Veröffentlicht


2020

Bewertung der Redaktion: 5/5


Künstler*in



Pressefoto Zuckerblitz Band

Zuckerblitz Band

Kommentar hinterlassen









×









gefördert von
Christiane Weber Stiftung zur Förderung von Kindermusik
Partner
ConBrio Verlagsgesellschaft