11.02.2022


Dän: „Dän singt ganz neue Kinderlieder a cappella“



Die unbeschreibliche Leichtigkeit des Kinderlieds



Das a-capella-Genre hat eine lange Tradition. Was als sakraler Chorgesang begann, hat sich im Verlauf mehrerer Jahrhunderte zu einer überaus populären musikalischen Darbietungsform entwickelt. Pioniere in Deutschland waren in den 1930er-Jahren die Comedian Harmonists, deren Stil mit Bands wie Die Prinzen, Ganz Schön Feist oder Basta später eine moderne Fortsetzung fand. Mit 6-Zylinder, Füenf oder Maybebop haben einige von ihnen auch Ausflüge in die Gattung Kindermusik gewagt. Eines der bekanntesten Vokal Pop-Ensembles fehlt in dieser Aufzählung allerdings noch: Die Wise Guys. 1990 gegründet, tourte die Band fast 27 Jahre quer durch die Republik und veröffentlichte in dieser Zeit 13 Studio- und zwei Livealben. Parallel dazu produzierten die beiden Bandmitglieder Edzard Hüneke und Daniel Dickkopf als Eddi und Dän auch drei Kindermusik-Alben. Seit der Auflösung der Wise Guys wandelt Dickkopf als Dän in dieser Gattung nun auf Solo-Pfaden.

Der künstlerische Kern von a-capella-Bands ist schnell erklärt: Ein vergleichsweise kleines Vokal-Ensemble trägt mehrstimmigen Gesang vor und verzichtet dabei in aller Regel auf instrumentale Begleitung. Vielleicht übt das Genre gerade wegen dieses bestechend einfachen Grundprinzips eine so große Faszination auf viele Menschen aus? Und vielleicht passt es gerade deshalb auch besonders gut in die Gattung Kindermusik? Als erfahrener a-capella-Sänger nennt Daniel Dickkopf das Schreiben von Kinderliedern jedenfalls ein „Kinderspiel“ und stellt fest: „Obwohl sich Kinderlieder ja inhaltlich und intellektuell in einem bestimmten Rahmen bewegen müssen, sind sie für mich freier und unbeschwerter als Songs für Jugendliche und Erwachsene. Über alles, was Kinder auch nur im Entferntesten interessant finden, kann man ein Kinderlied machen.“

Genau das tut er auf diesem Album, das mit 26 Liedern erstmal heillos überfrachtet wirkt, durch die Trennung in zwei Teile aber doch Struktur und Sinnhaftigkeit bekommt. Die erste Hälfte besteht nur aus neuen Liedern, die einen angenehm harmlosen Rundumschlag durch die Alltags- und Phantasiewelten von Kindern vollziehen. Temporeich greift „Der Kilometersong“ ihre Ungeduld beim Autofahren auf, „Ich bin neugierig“ würdigt ihren Entdeckergeist. „Werde bald wieder gesund“ ist ein musikalischer Genesungswunsch, „Alle Menschen sind gleich“ wiederum ein Plädoyer für Vielfalt und Toleranz. So weit, so vertraut. Inhaltlich bedienen diese Songs all das, was wir aus zahlreichen anderen Kinderliedern bereits kennen. Mit „Die Piraten III“ setzt Dän sogar noch einen drauf und greift zum dritten Mal in Folge auf eines der abgegriffensten Kinderlied-Themen zurück. Auffällig ist auch sein ausgeprägtes Faible für Aufzählungen: In „Zwölf Monate“ besingt er den Wandel der Jahreszeiten, in „Wer isst was?“ dekliniert er verschiedene kulinarischen Vorlieben durch. „Tierparty“ nimmt die Kinder auf eine After Work-Party durch sämtliche Zoogehege mit, während „Das kommt davon“ anhand zahlreicher Beispiele dem Prinzip von Ursache und Wirkung auf den Grund geht. Prinzipiell ist an der Herangehensweise gar nichts auszusetzen, in dieser Häufung wirkt das gewählte Stilmittel allerdings ein wenig überstrapaziert und erzeugt Abnutzungseffekte.

In der zweiten Hälfte des Albums wendet sich Dän schließlich vertrautem Songmaterial zu. Es folgen nämlich mehrere traditionelle Kinderlieder, die er erst im Original und dann in einer neu getexteten Version vorträgt. So landen „Hänsel und Gretel“ auf ihrem Irrweg durch den Wald in einem Hexenhaus aus Tofu, „Alle meine Entchen“ haben keine Lust mehr auf dem See zu schwimmen, der „Bi-Ba-Butzemann“ tanzt durch die Musterwohnung einer deutschen Durchschnittsfamilie und das sprachlich sperrige „Nun will der Lenz uns grüßen“ verwandelt sich mit „Jetzt wird es endlich Frühling“ in eine deutlich zeitgemäßere Version. Zu Recht dürften es viele Kinder und Eltern satt haben, immer wieder neue Interpretationen von traditionellen Kinderliedern zu hören. In dieser Umsetzung gewinnt Dän ihnen aber tatsächlich nochmal neue, wenn auch manchmal etwas alberne Facetten ab. Mit zwei aus dem Englischen übersetzten Titeln und dem einzigen mit Band instrumentierten Schlaflied „Ein Engel“ findet das Album schließlich seinen Schlusspunkt.

Fazit: Dieses Album setzt eine gewisse Grundsympathie für das darauf dargebotene Genre voraus. A-capella vorgetragene Lieder sind nunmal von einem unverwechselbaren Sound gekennzeichnet, den nicht alle mögen. Gerade bei Kindern wecken Vokal-Ensembles aber eine große Neugier, denn die gesangliche Nachahmung von Instrumenten fasziniert und regt zur kreativen Entdeckung der eigener Stimme an. Kommt dann noch eine so gekonnte Umsetzung wie bei Dän hinzu, dann sollte man sich davor hüten, das Urteil durch individuelle Geschmacksfragen zu verzerren. Nach inzwischen vier a-capella-Alben für Kinder dürfen wir Daniel Dickkopf aufrichtige Leidenschaft für die Gattung Kindermusik unterstellen. Seine Songs adressieren allerdings eher kleine Kinder, denn inhaltlich wie sprachlich liegt ihnen eine vergleichsweise einfache Anspruchshaltung zugrunde. Durch ihre besondere Umsetzung vermitteln sie aber eine große Musikalität, die Freude bereitet. Genau das ist auch das Kernanliegen von Dän. Er selbst spricht von einer „unbeschreiblichen Leichtigkeit“ beim Schreiben von Kinderliedern, bezieht sich dabei aber weniger auf kompositorische Aspekte, sondern vor allem auf die Erwartungshaltung der Kinder selbst. „Wenn ein Lied, das ich geschrieben und aufgenommen habe, ein Kind langweilt oder nicht interessiert, wird es sich dieses Lied einfach nicht anhören. Es wird es überspringen und einen Song auswählen, der ihm besser gefällt. Mehr aber nicht. Kein Shitstorm, kein Daumen runter, kein böser Kommentar. Einfach nur ein der Sache angemessenes komplettes Desinteresse. Wenn ein Kind aber ein Lied mag, dann wird es nicht imstande sein, diesen Umstand zu verbergen. Und diese totale Ehrlichkeit (...) sorgt bei mir für das Gefühl großer Freiheit und Leichtigkeit beim Schreiben.“ Diese Einstellung ist mit Vorsicht zu genießen, denn viele Kindermusiker*innen machen es sich damit etwas zu einfach und schaden der Gattung Kindermusik damit eher, als ihr zu nützen. Vor allem inhaltlich hätte ich mir auch bei Dän an der ein oder anderen Stelle mehr Sorgfalt gewünscht. Dank seiner langjährigen Erfahrung und seines nachweislichen Talents, ist ihm unterm Strich aber dennoch ein solides Kindermusikalbum gelungen.


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Veröffentlicht


2020

Bewertung der Redaktion: 3/5


Künstler*in



Dän

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