01.01.2021


Willy Astor: „Der Zoo ist kein logischer Garten“



Intelligenter Unsinn gegen den Wahnsinn der Welt



»Diese große weite Welt ist doch auch irgendwo / sowas wie ein riesengroßer, durchgeknallter Zoo.« Mit dieser schlichten Erkenntnis eröffnet die Sängerin Vivie Ann die Fortsetzung von Willy Astors 2014 erschienenen Kindermusik-Hörspiel „Kindischer Ozean“, das für den eigensinnigen Wortakrobaten still und heimlich zu einem großen Überraschungserfolg wurde. Inhaltlich wie konzeptionell knüpft „Der Zoo ist kein logischer Garten“ nahtlos an das Erfolgsrezept dieser Produktion an.

Wieder dürfen wir Familie Bröselböck bei einem Ausflug in die verspieltesten Winkel unserer Sprache begleiten. Vater Kunibert braucht „zwei Dübel für den Kübel, eine Schraube für die Laube und eine deutsche Dichtung“ und macht deshalb kurz Halt in einem Baumarkt. Durch eine geheimnisvolle Tür verschwindet die gesamte Familie urplötzlich in einem anderen, phantasievollen Universum, in dem sie zunächst von einer Salve des zusammenhanglosen Klamauks vom Komiker Piet Klocke empfangen wird. Ausgehend von dieser Szene geben sich in dem Hörspiel abermals kreative Wortspiele, bunter Buchstabensalat und absurder Humor die Klinke in die Hand. Figuren wie der Sauberkeitsfanatiker Rainer Gehtsnicht, die Sportschnecke Volker Racho oder der geheimnisvolle Compañero Ingo Knito betreten die Bühne – und verlassen sie ebenso schnell wieder. Zeit zum Durchschnaufen gewährt diese Produktion ihren Hörer*innen kaum, denn Willy Astor sprudelt nur so vor verrückten Ideen, die er im stetigen Wechsel von szenischen Dialogen und größtenteils gelungenen Songs präsentiert.

So ist „Putzen in da Ritz“ eine gelungene Adaption des Jazz-Klassikers „Puttin‘ on the ritz“. Die dicken Möpse Diggadog und Doogadig (gesprochen von Erkan und Stefan) steuern mit „Dicktiergeräte“ ein Loblied auf ihren fülligen Körperbau bei. (»Wir sind nicht dick vom Magerquark / wir haben einen Bauchsparvertrag.«) Das träge „Heiamann“ huldigt der Leidenschaft eines Langschläfers (»Manchen Morgen hab ich schon verträumt / der Morgen wird niemals mein Freund«) und zu romantischen Klängen beklagt in „lusTiger“ ein Losetiger sein Dasein als Verlierertyp. Im Duett mit dem Rapper Roger Reckless ist „Gib niemals auf“ einer der wenigen Titel, der ganz ohne Wortspiele funktioniert, dafür aber mit klarer Botschaft und eingängiger Hookline daherkommt. (»Gib niemals auf, steh wieder auf / steck den Kopf nicht in den Sand, du hast es drauf.«) Ähnliches gilt für das von Astors Tochter Anuschka Tochtermann andächtig vorgetragene „Anders als die Andern“.

Manche Lieder erzeugen aber auch Ratlosigkeit. „Eulalia die Eule“ beispielsweise kommt über den sprachlichen Witz von „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ nicht hinaus. Auch „Schmaiserkarrn und Weberlurst“ lebt einzig und allein von verdrehten Silben. (»So hört es sich an wenn ich die Stuchbaben tervausch.«) „Wickelnadusi“ überrascht mit einer irritierenden Mischung aus karibischen Rhythmen, italienischem Akzent und durch Auto-Tune veredelten Backgroundchören. Und mit reichlich Ironie bildet „Pubertier“ die Lebenswelt eines Teenagers auf Sinnsuche ab, will sich mit dieser Message aber nicht so recht in diese Kinder-Produktion einfügen. (»Das Leben ist schön in meiner Rumpelkammer / Vollpension im Hotel Mama.«) In der Summe bündelt sich auf „Der Zoo ist kein logischer Garten“ eine Fülle von Gags, die tatsächlich kaum logischen Zusammenhang erkennen lassen. Die szenischen Übergänge zwischen den Liedern wirken arg konstruiert. Meist dienen sie den vielen prominenten Sprecher*innen als Bühne, doch nur selten bringen sie die Geschichte substantiell voran. Umso überzeugender ist dagegen die Leistung der Band, die von Elektro-Pop über Jazz und Hip-Hop bis hin zu Volksmusik, Tango und Polka allerlei Musikstile authentisch umzusetzen versteht.

Fazit: Wer auf „Der Zoo ist kein logischer Garten“ den roten Faden sucht, der wird sich hoffnungslos verheddern. Zwar nehmen viele Wortspiele Bezug auf Tiere, aber das war es dann auch schon. Bereits beim Vorgänger dieses Musikhörspiels war die sogenannte „Rahmenhandlung“ überflüssig, das gilt für diese Produktion ganz genauso. Doch die meisten Lieder machen auch für sich genommen großen Spaß und fordern Kinder wie Eltern zum aufmerksamen Zuhören heraus. Auch nach dem zwanzigsten Durchlauf lassen sich noch kreative sprachliche Entdeckungen machen. Es ist schon bemerkenswert, wie viel Wortwitz Willy Astor auf diesem mit 72 Minuten Laufzeit randvollen Album unterbringt. Dieses Talent macht ihn zu einem besonderen Ausnahmekünstler – nicht nur für Kinder. Sinn ergibt diese Produktion folglich auch erst dann, wenn wir uns davon verabschieden, die Logik darin ausfindig machen zu wollen. Aus gutem Grund verweist Willy Astor auf den deutschen „Lachkräftemangel“ und formuliert für diese Veröffentlichung ein unmissverständliches Ziel: „Dem Wahnsinn dieser Welt diesen intelligenten Unsinn entgegensetzen“.


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Erschienen bei


Karussell / Universal Music GmbH

Veröffentlicht


2019

Bewertung der Redaktion: 4/5


Künstler*in



Pressefoto Willy Astor

Willy Astor

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