01.01.2021


Heike Makatsch & Der Hund Marie: „Die schönsten Weihnachtslieder“



Treffen sich Tradition und Popkultur



Dass sich Schauspieler*innen auch als Sänger*innen hervortun, erleben wir heutzutage häufiger. Heike Makatsch ist mit diesem Schritt aber gleich in doppelter Hinsicht ein mutiges Wagnis eingegangen. Mit den Musikproduktionen „Die schönsten Kinderlieder“ (2009) und „Noch mehr schönste Kinderlieder“ (2016) hat sie sich nicht nur einer besonderen Zielgruppe gestellt, sondern sich zugleich auch auf Neuinterpretationen traditioneller Kinderlieder fokussiert. Unzählige Compilations sind in der Vergangenheit an diesem Vorhaben gescheitert, Heike Makatsch ist es nicht.

Maßgeblich mitverantwortlich für diese überzeugende künstlerische Leistung war der Musiker und Arrangeur Max Schröder, besser bekannt unter seinem Pseudonym Der Hund Marie und als solcher mit Musikern und Bands wie Olli Schulz, Tomte, oder Die höchste Eisenbahn aktiv. Hinzu kommt, dass das Konzept zu den Produktionen nicht auf die vornehmlich umsatzorientierten Absichten eines großen Musikkonzerns zurückging, sondern auf den traditionsreichen Schweizer Buchverlag Diogenes. Dieser Ansatz überzeugte viele und so überrascht es nicht, dass den ersten zwei Veröffentlichungen eine Zusammenstellung mit traditionellen Weihnachtsliedern folgte.

Auf „Die schönsten Weihnachtslieder“ führen Heike Makatsch und Der Hund Marie konsequent fort, was sie erfolgreich begonnen haben: Alle ihrer zwölf Neuinterpretationen sind dem 1975 erschienenen „Großen Liederbuch“ entnommen, eine Sammlung von über 200 deutschen Volks- und Kinderliedern. Die Auswahl der einzelnen Songs birgt demzufolge kaum Überraschungen: Von „Ihr Kinderlein kommet“ und „O Tannenbaum“ über „Lasst uns froh und munter sein“ und „Morgen Kinder wird’s was geben“ bis hin zu „Alle Jahre wieder“ und „Es ist ein Ros‘ entsprungen“ sind auf diesem Album ausschließlich Klassiker versammelt. Ihre Texte und Melodien bleiben weitestgehend unverändert und erhalten dadurch hohen Wiedererkennungswert. Heike Makatsch überzeugt dabei nicht unbedingt mit geschulter Stimme, dafür aber umso mehr durch Eigenwilligkeit und Charakter. Sie verzichtet darauf, ihren Gesang technisch aufpolieren zu lassen, was der intimen Anmutung der Platte sehr zugute kommt.

Die Arrangements von Max Schröder respektieren die meist andächtige Anmutung des Originals, fügen jedem Lied aber neue Elemente und überraschende Klänge hinzu. Immer wieder werden popkulturelle Bezüge hörbar, die jedoch so dezent eingeflochten sind, dass sie die Volkstümlichkeit der Lieder nie in Frage stellen. Auf diese Weise erhält ein Lied wie „Stille Nacht“ eine ganz und gar neue, jedoch nicht weniger bezaubernde Anmutung als das Original. Gleiches gilt für „Winter ade“, das diese außergewöhnliche Liedersammlung beendet – leider bereits nach nur 38 Minuten.

Fazit: Dem traditionellen Kinderlied haftet das verstaubte Image von Brauchtum an. Kein Wunder also, dass es meistens heißt: „Das will doch kein Kind mehr hören!“ Gemeint ist mit dieser Äußerung vor allem, dass wir als Erwachsene die Lieder nicht mehr hören können. In aller Regel kommen sie uns längst zu den Ohren raus. Dabei vergessen wir, dass uns die Lieder nur deshalb so vertraut sind, weil wir selbst mit ihnen groß geworden sind. Traditionelle und volkstümliche Lieder haben unser eigenes Kulturverständnis geprägt – und vielleicht sogar bereichert? Wer diese Frage mit „Ja!“ beantwortet, misst dem traditionellen Kinderlied kulturelle Bedeutung bei und wird sich darüber klar sein: Brauchtum braucht Überlieferung. Die darf durchaus zeitgemäß verpackt sein, muss sich aber nicht dem Zeitgeist anbiedern. Genau das gelingt Heike Makatsch und Max Schröder mit dieser Produktion. „Die schönsten Weihnachtslieder“ führt Tradition und Moderne zusammen – und bekennt sich zu beidem. Mag sein, dass manche Kinder die Lieder am Ende trotzdem nicht mögen werden. Wir sollten ihnen aber zumindest Gelegenheiten bieten, sie kennenzulernen. Diese Platte schafft so eine Gelegenheit und macht sie zugleich zu einem musikalischen Genuss.

Erschienen bei


Diogenes

Veröffentlicht


2018

Bewertung der Redaktion: 5/5


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