21.01.2022


Donikkl: „Disco“



Mehr Kalkül als Kreativität



Der Musiker Andreas Donauer zählt zu den Pionieren der neuen deutschen Kindermusik-Szene. 2001 gründete er gemeinsam mit einigen engagierten Mitstreitern die Band Donikkl und die Weißwürschtl, die mit dem „Fliegerlied (So a schöner Tag)“ sogar einen Hit landete, der weit über die Kindermusik-Szene hinaus Gehör fand. Nachdem sich die Wege der Bandmitglieder trennten, zog Donauer als Donikkl allein durch die Lande, unterschrieb 2012 beim Sony-Label "Europa Family Music" einen Vertrag, löste ihn kurze Zeit später aber wieder auf und folgt seitdem seinem künstlerischen Selbstverständnis als „musikalischer Biobauer“, der seine Produkte ab Hof verkauft, anstatt über Zwischenhändler. So man in diesem Bild bleiben möchte, ist „Disco“ bereits das zweite Album, das Donauer im eigenen Stall großgezogen hat und über seinen Hofladen vertreibt.

Wie es der Albumtitel bereits erahnen lässt, adressiert Donikkl mit dieser Produktion vornehmlich das an Bewegungsmangel leidende Kind. Zu einem Sound, der sich an so verschiedenen Stilrichtungen wie Techno, Schlager, Reggae und Elektro bedient, stellt er schon im ersten Lied „Heut‘ ne Party“ klar: »Jeder tanzt wie er will, heute gibt es keine Noten / wir sind wild und nicht still, Langeweile ist verboten. (...) Party, wir feiern heut‘ ne Party.« Weitere Songs wie „Discomaus“ oder „Hintern wackeln“ heißen zwar anders, folgen grundsätzlich aber dem gleichen Prinzip. In ihren schwächsten Momenten, wie etwa beim Party-Remix von „Der kleine Haifisch“, unterfordert die Platte Kinder mit Liedern, die sie bestens auf spätere Trips an den Ballermann oder winterliche Après Ski-Partys vorbereiten. Ein Titel wie „Pi Pa Putzemann“ beweist dann aber wieder, dass in Donikkl durchaus ein talentierter Musiker mit weitaus mehr Anspruchshaltung steckt. Mit Hammond-Orgel, Brass-Section und Background-Chor geht der Song nicht nur auf Tuchfühlung zu Retro-Soul, sondern verweist zugleich geschickt auf eines der bekanntesten traditionellen Kinderlieder.

Genau dieses Spannungsverhältnis zwischen künstlerischem Gestaltungwillen und massentauglichem Partysound kennzeichnet „Disco“ von der ersten bis zur letzten Minute. „Lernbelästigung“ folgt zwar einer erzählerisch schönen Idee, weckt mit seinem »Döp döp döp dödödöp döp döp« Shout-Chorus aber Assoziationen zur lauthals grölenden Fankurve im Fußballstadion. „Heut raus“ (feat. Brani Zunami) überzeugt dann wieder als Versuch, die Stilmerkmale von Dub und Dancehall auf das Kinderlied zu übertragen. Zahlreiche weitere Lieder, wie etwa „Grashüpfer“, „Funk im Tank“, „Mein Hase“ oder „Stark wie ein Tiger“ sind überdies nur Neuinterpretationen älterer Donikkl-Songs, die eine mehr oder minder gelungene Frischzellenkur durchlaufen haben. Nach 15 Titeln endet das Album schließlich mit dem Lied „Mit meinem Teppich“, den Donauer 2018 zum Soundtrack des Animationsfilms „Kleiner Aladin und der Zauberteppich“ beigesteuert hat. Zurück bleibt damit am Ende der Eindruck, viel Vertrautes aber kaum wirklich Neues gehört zu haben.

Fazit: Als „Reggae-Pop mit schlagerhafter Eingängigkeit“ wurde Donikkls Stil einmal bezeichnet. Das Album „Disco“ ist ein anschaulicher Beleg für diese Umschreibung, denn ihm scheint deutlich mehr Kalkül als Kreativität zugrunde zu liegen. Nach 20 Jahren in der Gattung Kindermusik hat Donikkl ein Profil entwickelt, das das Streben nach künstlerischer Selbstverwirklichung dem Ziel unterordnet, möglichst viele Kinder erreichen zu wollen. Das gelingt ihm insbesondere durch die Imitation von massentauglichen Sounds und Kompositionen. Professionalität und Anspruch muss man ihm dabei keineswegs in Abrede stellen, Musikalität und Vielseitigkeit rangieren aber zu oft an zweiter Stelle. Gut die Hälfte des Albums besteht aus Titeln, die Donauer zum Teil bereits vor etlichen Jahren veröffentlicht hat. Sie, unterlegt mit neuen Beats, erneut zu veröffentlichen, ist nicht unbedingt der Gipfel der Kreativität. Wenn Donikkl ein künstlerisches Alleinstellungsmerkmal vorweisen kann, dann ist es seine überbordende Energie, gepaart mit seiner glaubwürdigen Hinwendung zu Kindern. Das sind ohne Zweifel gute Voraussetzungen für die Kinderdisco, aber nicht unbedingt für das Kinderzimmer.


Video




Erschienen bei


Donikkl Productions

Veröffentlicht


2020

Bewertung der Redaktion: 3/5


Künstler*in



Pressefoto "Donikkl"

Donikkl

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