03.09.2021


Simon sagt: „Einfach nur wow!“



Eher schlau als wow



Zwei Jahre liegt die Veröffentlichung des ersten Albums „Popcorn für alle“ von Simon Bergholz aka Simon sagt inzwischen zurück. Folglich tut er, was getan werden muss und schmeißt mit „Einfach nur wow!“ die „Hitmaschine erneut an“ (O-Ton Pressetext). An Selbstbewusstsein mangelt es Simon Bergholz offenbar nicht. Kein Wunder, denn wie schon beim Debut-Album, steht ihm auch bei dieser Platte Rolf Zuckowski erneut als prominenter Pate zur Seite. Folglich stilisiert sich Bergholz gleich im ersten Titel zur neuen Ikone der deutschen Kindermusik hoch.

»Deine Playlist meldet sich höchstpersönlich / sie hat mal wieder ein Update nötig.« Mit diesen Zeilen eröffnet „Eine Woche voller Simon sagt“ das Album und gibt damit gleich die Marschroute für einen Großteil der nachfolgenden Songs vor. Simon Bergholz verzichtet in vielen seiner Lieder nämlich darauf, die Perspektive von Kindern einzunehmen und positioniert sich stattdessen vorrangig als Freund und Entertainer für seine jungen Hörer*innen. Das zeigt auch der zweite Titel „Feiern ist gesund“ in dem er bestgelaunt feststellt: »Hände hoch, heut ist Party in the house / schmeiß die Sorgen aus dem Fenster raus / Feiern ist gesund, macht dich schön und schlau / Feiern ist genau das was du brauchst.« Wirklich viel mitzuteilen hat Simon Bergholz den Kindern bis hierher nicht. Eher legt er es gezielt darauf an, zu amtlich ausproduzierten Beats gute Laune zu verbreiten. Kann man machen, würde allein aber etwas zu kurz greifen.

Das weiß natürlich auch Simon sagt. Darum greift er mit einigen seiner Lieder auch vergleichsweise ernste Themen auf, die er aber recht unverfänglich in Worte kleidet. Der Titelsong „Einfach nur wow“ beispielsweise versucht sich als eingängige Hymne für Vielfalt. (»Jeder hat seine eigene Story, jeder hat seine eigenen Skills / hau sie raus, das hilft allen weiter / wir werden stärker mit deinem Beitrag.«) „Viereck“ findet eine durchaus gelungene Metapher für das Smartphone und besingt die Licht- und Schattenseiten des Aufwachsens mit Bildschirmmedien. In „Mein Schulweg“ ergreift er Partei für seine Zielgruppe, indem es den pädagogischen Zeigefinger auf die Eltern richtet. (»Meine Eltern wollen nur das Beste für mich / sie beschützen mich vor jedem Mückenstich / ich weiß schon, weil sie mich lieben / doch das Beste ist oft übertrieben.«) Und in „Mach dich nicht kleiner als du bist“ ermutigt er Kinder dazu, auf Vergleiche zu Geschwistern oder anderen Kindern zu verzichten. (»Bleib cool und gib dir Zeit / worin du gut bist findest du mit Sicherheit.«) „Humorvolle Pädagogik“ nennt Bergholz diesen Ansatz.

Damit eben dieser Humor auf der Platte so richtig durchschlägt, nimmt er mit „Alle meine Entchen (rappen ganz ok)“, „Krappi, das kleine Schnokodil“ oder „Meine Oma fährt im Hühnerstall E-Roller“ auch ein paar Kinderliederklassiker aufs Korn. Ein durchaus geschickter Schachzug, denn die Originale sind Kindern natürlich bestens bekannt. Als moderne Neuinterpretationen distanzieren sich diese Titel aber augenzwinkernd von dem, was Kinder gemeinhin unter Kindermusik verstehen – und womit sie in aller Regel nichts mehr zu tun haben wollen. Dem freundschaftlichen Schulterschluss zur Zuhörerschaft mag das zuträglich sein, eine qualitative Bereicherung sind sie allerdings nicht.

Auch musikalisch bleibt Simon Bergholz unter seinen Möglichkeiten. Fortlaufend betont er sein künstlerisches Profil als Gitarrenlehrer, Songschreiber und Mitglied einer Punkrock-Band. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen dürfte man ein Album erwarten, das auch stilistisch eigene Akzente setzen möchte. Tatsächlich werden in einzelnen Liedern auch verschiedene musikalische Genres wie Hip-Hop („Alle meine Entchen“), Pop („Feiern ist gesund“), Rock („Aufräumen“) oder sogar Funk („Lasst mich Fußball sehen“) aufgegriffen. Die glattgebügelte Produktion vermengt all das aber eher zu einem gefälligen Einheitsbrei, als stilistisch überzeugende Songs hervorzubringen. Zurück bleibt der Eindruck, dass hier der popkulturelle Zeitgeist die Musik, nicht aber der Musiker den Zeitgeist prägt.

Fazit: Habe ich Simon Bergholz in meiner Rezension zu seinem ersten Album „Popcorn für alle“ noch attestiert, großen wie kleinen Kindern gefallen zu wollen, so scheint er sich inzwischen festgelegt zu haben. Als „Kinderlieder für Fortgeschrittene“ bezeichnet er seine Songs nun und adressiert konkret Kinder ab dem Grundschulalter. Nachweislich orientieren die sich heutzutage mehrheitlich am popkulturellen Mainstream. Vor diesem Hintergrund ist „Einfach nur wow!“ klug und konsequent umgesetzt. Simon sagt legt es darauf an, den Kindern gefallen zu wollen und positioniert sich als durchaus sympathischer Kindermusik-Star. Das ist erstmal legitim und im Ergebnis noch nicht einmal missglückt. Inhaltlich überzeugend ist es aber nicht unbedingt. Brav reihen sich bei ihm Belangloses, Blödsinn und Botschaft nebeneinander ein. Mit zahlreichen Buzzwords dockt er gezielt an die Lebenswelt von Kindern an und wenn ihm inhaltlich nichts mehr einfällt, füllt er seine Texte einfach mit eingängigen Hooklines (»Nanana na na naa naa«, »Scha lala la la lala la, ole« oder »Bab baa badab bab badaa ba«) auf. Doch welche künstlerische Haltung liegt dieser Produktion zugrunde? Es ist ja toll, dass Musiker wie Simon Bergholz das Kinderlied aus seiner verstaubten Nische zu befreien versuchen. Im Ergebnis klingt „Einfach nur wow!“ aber wie die Kapitulation vor dem Potential des Kinderlieds als eigenständige Kunstform. Mit dieser Herangehensweise hat sich Simon Bergholz bereits zahlreiche Fans erspielt – und es ist zu vermuten, dass seine Gefolgschaft auch durch diese Platte eher größer als kleiner wird. Diese Paradoxie ist uns aus dem auf Erfolg getrimmten Musikbusiness hinlänglich vertraut: Reichweite und musikalische Qualität gehen nicht zwangsläufig miteinander einher. Aber hey, wie singt Simon Bergholz es in „Daumen runter, Daumen hoch“ noch gleich selbst? »Ein Daumen runter ist nur ein umgekehrter Daumen hoch.«


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Erschienen bei


noch mal!!! / Universal Music Family Entertainment GmbH

Veröffentlicht


2021

Bewertung der Redaktion: 2/5


Künstler*in



Simon sagt

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