01.01.2021


„Giraffenaffen 6“



Das, was schief geht, gehört dazu



Lange war es still um die Giraffenaffen. Vier Jahre sind vergangen, seit der letzte Teil der Compilation-Reihe erschien, die von Beginn an darauf setzte, Tradition und Moderne im Kinderlied miteinander zu versöhnen. Doch was im Jahr 2012, als die erste Giraffenaffen-Produktion auf den Markt kam, noch ausgesprochen innovativ daherkam, führt sich in seiner neuesten Ausgabe leider weitestgehend selbst ad absurdum.

Bevor die einzelnen Künstler*innen mit ihren Neuinterpretationen mehr oder weniger bekannter Kinderlieder das Ruder in die Hand nehmen, eröffnet auch diesmal wieder ein Giraffenaffensong den musikalischen Reigen. Im Stil des mustergültigen Ohrwurms „I’m walking on sunshine“ von Katrina and the Waves (1985) bemüht sich „Und Alle!“ nach Leibeskräften, ein positives Wir-Gefühl zu erzeugen. In gewisser Weise ist damit bereits der musikalische Höhepunkt der Platte erreicht, denn vieles von dem was danach kommt, wirkt gegen diese heitere Eröffnung vergleichsweise verstörend.

Warum zum Beispiel ausgerechnet „Das Lied der Schlümpfe“ aus der Mottenkiste geholt und dann auch noch Howard Carpendale anvertraut wurde, bleibt für mich absolut rätselhaft. Genauso wenig glaube ich, dass irgendjemand auf die Neuinterpretation des Schlaflieds „Guter Mond, du scheinst so stille“ mit Roland Kaiser am Mikrofon gewartet hat. Wie konnten sich diese betagten Schlager-Barden im Jahr 2020 nur auf eine Compilation für Kinder verirren? Kaum besser wird es, wenn der Teenie-Star Nico Santos den volkstümlichen Klassiker „Wenn du richtig glücklich bist“ zum Besten gibt. Zielsicher chauffiert er seine Zuhörer*innen in die schlimmsten Abgründe des musikalischen Kinderentertainments. Der absolute Tiefpunkt schließlich ist mit dem DJ-Duo Gestört aber geil erreicht, das dem „Biene Maja“-Song absolut gar nichts relevantes hinzuzufügen hat. Natürlich lassen sich vereinzelt auch schöne Entdeckungen machen. Bei Lina Maly, Das Lumpenpack, Afrob, Versengold oder auch Phil Siemens trifft die jeweilige Liedauswahl auf eine durchaus gelungene musikalische Umsetzung. Zusammenfassend könnte man sagen: Die einzelnen Songs sind immer exakt so überzeugend, wie es die jeweiligen Interpret*innen auch jenseits dieser Produktion sind.

Fazit: Stilistische Vielfalt gehört zur Kernidee der Giraffenaffen. Das gilt sowohl für die Auswahl der Lieder, als auch für die auf der Compilation vertretenen Künstler*innen. Vom Volkslied bis zum politischen Kinderlied (das Grips-Theater ist diesmal mit gleich drei Songs vertreten), vom Schlagersänger bis zur Punk-Band ist alles dabei. Es gibt jedoch einen großen Unterschied zwischen Offenheit und Beliebigkeit. Nicht alle musikalisch begabten Menschen sind dazu berufen, Kinderlied-Interpret*innen zu werden. Möglicherweise ist der Fundus an traditionellen Kinderliedern nach inzwischen sechs Ausgaben aber auch einfach erschöpft? Es fällt jedenfalls zunehmend schwer, die guten Absichten, die man der Idee zu den Giraffenaffen durchaus attestieren darf, weiterhin wohlwollend anzuerkennen. Zurück zum Opener, in dem die Giraffenaffenband singt: »Das, was schief geht, gehört dazu«. Warten wir in diesem Sinne gespannt auf die Giraffenaffen 7 und halten den Macher*innen bis dahin zugute, dass sie maßgeblich daran beteiligt waren, die Mauern zwischen Pop- und Kindermusikkultur zum Einsturz zu bringen. Offensichtlich klappt das manchmal mehr und diesmal weniger gut.


Video




Erschienen bei


Startwatch Entertainment/Polydor

Veröffentlicht


2020

Bewertung der Redaktion: 2/5


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Giraffenaffen

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