25.03.2022


Herr Jan: „Irgendwie anders“



Begabter Brückenbauer



Das Cover des zweiten Studioalbums von Herr Jan wirkt wie ein Statement. In Superhelden-Pose schwebt er über tosenden Wellen, „Irgendwie anders“ ist in dicken Buchstaben unter ihm zu lesen. An Selbstbewusstsein mangelt es Jan Sedgwick ganz offensichtlich nicht, doch er hat auch allen Grund selbstbewusst aufzutreten. Im Kinderradio laufen seine Songs rauf und runter, gleich zweimal nacheinander wurde er zum Jurysieger des deutschen Kinderliederpreises gekürt und 2018 erhielt den Publikumspreis beim Kindermusik-Wettbewerb der Christiane Weber-Stiftung. Auf seinem ersten Album „Herr Jan“ (2019) hat der vielseitig begabte Musiker das traditionelle Kinderlied gekonnt in die Gegenwart überführt. Auf „Irgendwie anders“ knüpft Herr Jan nahtlos an diese Herangehensweise an.

„Wie muss Musik klingen, die ich mit meiner Tochter gemeinsam hören möchte, mit der sie Spaß hat, emotional wachsen kann und die unser Familienleben bereichert?“ Diese Frage stand für Jan Sedgwick am Anfang seines Schaffens als Kindermusiker. Die darin enthaltene Zielformulierung ist alles andere als trivial, denn sowohl zwischen den Erwartungshaltungen von Eltern und Kindern, als auch zwischen Spaß und emotionaler Tiefe tun sich bisweilen schwer zu überwindende Gräben auf. Herr Jan stellt sich dieser Herausforderung auf zweierlei Weise: Stilistisch wagt er sich in die unterschiedlichsten Genres vor, inhaltlich greift er sowohl die Perspektive von Kindern als auch die von Erwachsenen auf. Als „HipHopReggaeSingersongwriterpop mit Herz und Verstand“ bezeichnet er seine künstlerische Arbeit. Doch was dürfen wir konkret darunter verstehen?

Voller Sanftmut eröffnet „Ein neuer Tag“ die Platte und begrüßt zu leisen Klavier- und Gitarrentönen nicht nur die jungen Hörer*innen, sondern auch den wiederkehrenden Wechsel von Tag und Nacht. Mit ähnlich melancholischer Anmutung entlässt „Alles wird gut“ die Kinder nach 13 Songs mit einer zuversichtlichen Perspektive auf das vor ihnen liegende Leben. (»Das Leben atmet nicht nur ein, es atmet auch aus / und so wie sich Zeiten ändern, ruht auch das Glück sich manchmal aus.«) Eingerahmt von diesen zwei ruhigen Titeln bildet Herr Jan auf „Irgendwie anders“ den kindlichen Alltag in seiner ganzen emotionalen Unübersichtlichkeit ab und experimentiert dabei mit allerlei Klangfarben. In Gestalt eines eingängigen Popsongs hält „Irgendwie anders“ ein schönes Plädoyer für Vielfalt und Mitmenschlichkeit. (»Von jedem Menschen gibt es immer nur einen / und jeder hat das Recht, glücklich zu sein.«) „Frühling“ besticht durch seine verschwenderische Instrumentierung und verleiht der Euphorie über das Ende des Winters stimmungsvoll Ausdruck. Der A-Capella-Dancehall-Song „Meine 5 Minuten“ bricht eine Lanze für überdrehte Aussetzer im kindlichen Alltag. (»Ein paarmal am Tag tut es gut und muss sein / sonst geh ich wie ein Blümchen einfach ein.«) Und „Gargelkarg“ bietet Kindern eine passable Alternative für verbotene Schimpfwörter. Mit seinem druckvollen Elektro-Sound und stilecht vorgetragenen Rap-Einlagen präsentiert sich der Song als clubtaugliche Partynummer, zu der sich auch Erwachsene lustvoll auf der Tanzfläche gehen lassen könnten.

Damit kommen wir zum oben angesprochenen Perspektivwechsel, den Herr Jan in auffällig vielen Texten vornimmt. Unüberhörbar fordert das etwas schwermütig angelegte „Grummelbär“ Empathie für übermüdete Eltern ein. (»Heute ist mir alles zu laut und zu grell / ich trag’n Pelz, doch ich hab’n dünnes Fell.«) Mit reduzierten musikalischen Mitteln vermengt „Schöne kleine Dinge“ die Sicht von Eltern und Kindern, um gemeinsam die zauberhaften Banalitäten des Alltags zu feiern. „Papa“ wandelt sich von einer Ballade in einen vielstimmigen Lobgesang, mit dem die Lebensleitung liebevoller Väter gewürdigt wird – ob aus der Perspektive eines jungen oder eines erwachsenen Kindes, das lässt der Song allerdings offen. Ähnlich uneindeutig bleibt bei „Weil du mir wichtig bist“, ob hier ein Kind den Vater, oder aber ein Vater bei seinem Kind um Verzeihung bittet. „Falscher Planet“ wiederum versucht, eine kindgerechte Sprache für die Komplexität des globalen Zeitgeschehens zu finden. (»Jetzt weiß ich nicht mehr, wo ich hingehör / weil ich von der Welt, je mehr ich seh, umso weniger versteh.«) Kurzum: Herr Jan gelingt es, die Lebenswelten von Eltern und Kindern zusammenzuführen und den Fokus dabei auf Gemeinsamkeiten anstatt auf Unterschiede zu lenken. Auf diese Weise festigt er sein Standing als musikalischer Begleiter für die ganze Familie.

Fazit: Auf „Irgendwie anders“ präsentiert sich Herr Jan als begabter Brückenbauer. Mit beschwingter Leichtigkeit führt er Kinder an neue musikalische Genres heran und bündelt dabei die Perspektiven verschiedener Generationen. Zugleich verbindet er die Professionalität eines gestandenen Musikers mit kindlicher Verspieltheit. Komposition, Produktion und musikalische Umsetzung – alles kommt bei ihm aus einer Hand. Handwerklich setzt er seine Lieder dermaßen professionell und vielseitig um, dass das Album auch verwöhnten Ohren schmeichelt. Ganz nebenbei reflektiert er in einzelnen Songs auch seine Rolle als männliches Role-Model. Spätestens wenn er die Kinder im Lied „Held“ dazu ermutigt, nicht den falschen Vorbildern nachzueifern und vermeintliche Schwächen als Stärken zu begreifen, demontiert er charmant seine heldenhafte Selbstdarstellung auf dem Cover. (»Man darf auch gern mal schwach sein, es läuft nicht immer fair. / Hängt das Kostüm wieder im Schrank, haben es auch Superhelden schwer.«) Umso unergründlicher bleibt, wie sich das Piratenlied „Die Berserka und ihre Mannschaft“ in diesen sonst so stimmigen Gesamtkontext einfügen soll. In der Summe aller anderen Songs beweist Herr Jan aber, dass Kindermusiker*innen auch aus eigener Kraft Großes auf die Beine stellen können. Die selbstbewusste Pose auf dem Plattencover sei ihm also zugestanden, denn seine musikalische Arbeit für Kinder ist tatsächlich irgendwie anders.


Video




Erschienen bei


It Sound

Veröffentlicht


2022

Bewertung der Redaktion: 5/5


Bewertung der Leser*innen: 5/5


Künstler*in



Porträt Herr Jan

Herr Jan

2 Kommentare



26.03.2022 08:09

HILDEGARD Spickenbaum



Hallo lieber Jan,

DU BIST SOOOO GUT,
ich hoffe Du trittst mal in unserer Gegend auf...Komme dann mit allen mir verfügbaren Enkeln.....
L.G. Hilde

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25.02.2024 08:09

Philipp



War auf einem Konzert, wo wg Hitze fast nichts los war und er und seine zwei Mitstreiter haben abgeliefert und alle zum Singen, Tanzen und Lachen gebracht. Für mich ein Superstar. Warum stürzen sich die Medien nicht auf Künstler mit guter Familienmusik und machen diese überall bekannt? Gibt es hier nicht genug zu verdienen? Der Markt ist doch riesig. Dank an diese Website an der Stelle.

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