04.03.2022


Christiane Weber: „Krümelmucke 2“



Ein erfrischend unpädagogischer Nachlass



Der Entstehung dieser Produktion haftet eine tragische Geschichte an, denn Christiane Weber hat die Veröffentlichung von „Krümelmucke 2“ selbst nicht mehr miterleben können. Noch bevor das Album 2012 erschien, verstarb sie mit gerade mal 36 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung. Diese Kinderlieder noch vor ihrem Tod fertigzustellen, war der Sängerin ein großes Herzensanliegen. Bekannt wurde sie jedoch nicht als Musikerin für Kinder, sondern als Musikkabarettistin. Zusammen mit dem Pianisten Timm Beckmann gründete sie 1997 das Duo Weber-Beckmann, das 2007 mit der Auszeichnung mit dem Deutschen Kleinkunstpreis den Höhepunkt seiner Karriere feierte. Nach zwölf gemeinsamen Jahren auf der Bühne ging das Team getrennte Wege – und Christiane Weber wagte sich mit der ersten „Krümelmucke“ (2009) an die Gattung Kindermusik heran.

Konzeptionell dockt „Krümelmucke 2“ unmittelbar an diesen Vorgänger an. Dessen Selbstverständnis lautete: „Musik für die Kleinsten, die auch den Großen Spaß machen soll.“ Übersetzt in Wort und Klang entstanden aus diesem Anspruch heraus musikalische Perlen, die durch sprachliche Detailverliebtheit und minimalistische Umsetzung überzeugen. Christiane Webers geschulte Stimme lässt Rückschlüsse auf ihre Chanson-Vergangenheit zu, inhaltlich begibt sich die Sängerin jedoch voll auf Augenhöhe zu den Kindern. Zu sehr jungen Kindern, um genau zu sein. Für die schmückt sie, vornehmlich von Akustik-Gitarre und Bass begleitet, kleine erzählerische Ideen zu erstaunlich üppigen Ohrwürmern aus.

Teilweise greifen ihre Lieder klassische Kinderlieder-Themen auf, etwa wenn „Peng der Pirat“ die Kanonen von seinem Piratenschiff verbannt oder „Professor Doktor Eiskrem“ sein Expertenwissen mit den Kindern teilt. Auffällig viele Songs bestechen aber auch durch kreative Wortspiele, die sprachlich wie rhythmisch verfangen. Das beginnt bereits beim „Feuerwehrmann“ mit seinem »Tatatatü tata« und führt sich fort in einem Lied wie „Schokokolores“, in dem eine Schokolokomotive und ein Schokokrokodil aufeinandertreffen. Für die Unordnung im Kinderzimmer macht „Rumpumpeldum“ das gleichnamige Phantasiewesen verantwortlich und das ruhige „Sternschnuppern“ lässt die letzten kindlichen Gedanken des Tages friedlich ausklingen.

Vor dem Hintergrund der traurigen Entstehungsgeschichte des Albums entfalten einige Lieder jedoch ganz besondere Kraft und Wirkung. So findet „Eine Giraffe mit Halsweh“ eine kindgerechte Analogie für wirkliches Unglück und lädt zu einer lebensmutigen Perspektive ein. „Der depressive Walfisch“ neigt dazu, sich über die Eintönigkeit seines Lebens im Ozean zu beklagen, versöhnt sich dank der Unterstützung des Regenbogenfischs am Ende aber mit seinem Schicksal. „Damit die Drachen wieder lachen“ personifiziert die bunten Herbstdrachen und feiert deren Freiheit an der frischen Luft, „Kleine Sonne“ schließlich ist eine fröhliche Liebeserklärung an das Leben selbst. Songs wie diese zeigen hinter ihrer kindlichen Fassade erstaunliche inhaltliche Tiefe, sind dabei aber immer von Leichtigkeit und positiver Zuwendung getragen.

Fazit: Kleinkindern angemessene musikalische Angebote zu machen ist eine ausgesprochen schwierige Herausforderung, denn sie brauchen Musik, die noch nicht zu überladen und kompliziert ist, an der es aber trotzdem viel zu entdecken gibt. Die Lieder auf „Krümelmucke 2“ erfüllen diesen Anspruch vorbildhaft, kommen aber trotzdem erfrischend unpädagogisch daher. Hier geht es nicht ums Hüpfen, Springen, Bewegen, Zählen, Aufsagen oder irgendeinen moralischen Appell, sondern einzig und allein um schöne musikalische Geschichten, denen man gerne lauscht. Kinderlieder für die Kleinsten haben in dieser Qualität Seltenheitswert. Zwar verstehen sich überraschend viele Musiker*innen mit nur rudimentären Kompetenzen an der Gitarre bereits als Kinderliedermacher*in. Die Lieder von Christiane Weber definieren aber den Maßstab, an dem sie sich messen lassen müssen – und zwar musikalisch wie inhaltlich. Es sind Lieder, „die es gerade noch geschafft haben, aus ihrem Herzen ins Studio zu hüpfen. Worte, die tiefer, liebenswürdiger und menschenfreundlicher sind, als vieles was sich auf dem Markt der Kleinkunstmöglichkeiten tummelt.“ So beschreibt ein Freund von Christiane Weber ihre Krümelmucke in einem Nachruf. Kann es einen schöneren Nachlass von einer Musikerin geben?

Erschienen bei


POTTpeople

Veröffentlicht


2012

Bewertung der Redaktion: 5/5


Künstler*in



Künstlerinnen-Portrait Christiane Weber

Christiane Weber

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