Albumcover Looping
12.05.2023


Deniz & Ove: „Looping“



Mit Überschlag mitten ins Herz



Erst letzte Woche haben Deine Freunde, die zweifellos bekannteste und in den Augen vieler Eltern offenbar auch einzige unpeinliche Kindermusikband, ihr siebtes Album veröffentlicht. Nur eine Woche später präsentieren Deniz & Ove mit „Looping“ ihr zweites gemeinsames Werk. Als Kindermusik-Act stecken Ove Thomsen und Deniz Jaspersen also quasi noch in den Kinderschuhen, doch auch wenn zwischen ihnen und Deine Freunde in Sachen Popularität ein kleines Universum zu liegen scheint: Wenn wir über qualitativ hochwertige Kindermusik sprechen, dann gehören auch die Songs von Deniz & Ove zum Besten, womit man Kinder hierzulande beglücken kann. Das haben die beiden Musiker schon mit ihrem Debütalbum „Bällebad“ unter Beweis gestellt – und das tun sie auch jetzt wieder.

Kompakt gebündelt offenbaren sich bereits im Opener „Batterien“ sämtliche Qualitätsmerkmale des sympathischen Duos. Das Lied feiert blinkendes, quietschbuntes und für Eltern meist nervtötendes Plastikspielzeug, das nur mittels Batterien zum Laufen gebracht werden kann. Aus erwachsener Perspektive wirft der Song etliche Fragen auf: Wäre Holzspielzeug nicht viel besser? Wo bleibt die Konsumkritik? Und könnten es nicht wenigstens Akkus sein? Deniz & Ove scheren sich allerdings wenig um derart vernunftgesteuerte Einlassungen und nehmen stattdessen konsequent die kindliche Perspektive ein. (»Ein Hoch auf Batterien, Batterien, Batterien / was ist ein Spielzeug ohne Sound und Melodien / wir brauchen volle Batterien.«) Ebenso konsequent ist die musikalische Umsetzung des Songs geraten, der als energiegeladener Ohrwurm keinen Unterschied zwischen vermeintlich kindlichen und erwachsenen Ansprüchen macht. Deniz & Ove verpacken ihre Texte in genau den Sound, der schon die Musik ihrer früheren Bands Herrenmagazin und Ove geprägt hat. Im Zentrum steht die klassische Besetzung einer Indie-Rockband, angereichert mit allerlei klanglichen Experimenten und wohlklingend abgerundet mit harmonischem, zweistimmigem Gesang.

Auf dieser Grundlage gerät „Looping“ zu einer mitreißenden Achterbahnfahrt, während der kluge Textideen und verspielte Arrangements in enger Taktung an einem vorbeirauschen. Mit viel Wortwitz erzählt etwa „Inge“ vom sehnsuchtsvollen Begehren zwischen einem Saug- und einem Mähroboter. (»Ich bin immer unterwegs zwischen den Stühlen / ich bin ein einsamer Saugroboter mit Gefühlen.«) „Illegale Autorennen“ finden bei Deniz & Ove natürlich nicht auf der Straße, sondern zu später Stunde auf dem Verkehrsteppich im Kinderzimmer statt. „Beutel Bollemax“ entpuppt sich als magische Zaubertasche mit unendlich viel Platz (»Der letzte Plunder und der größte Schatz / passt in Beutel Bollemax.«) und in „Neunmalklüger“ zeigen sich die sonst eigentlich sehr freundlich anmutenden Musiker als zankende Besserwisser, die sich mit maßlosen Übertreibungen intellektuell zu übertrumpfen versuchen. (»Ich kenne fünf Jahreszeiten und das große Einmalzwei.«) Wenn in „Wie wär’s?“ Kinder selbstbewusst die Stadtplanung in die Hand nehmen, schimmert sogar etwas gesellschaftspolitischer Anspruch durch. (»Wie wär’s mit einer Welpenstreichelstation oder ner Kindergalerie? / Für obdachlose Menschen ein Schwimmbad mit Sauna / ein Klettergarten mit Zufriedenheitsgarantie?«)

Diesen oft humorvollen und größtenteils temporeichen Titeln stehen auch ein paar ruhige Lieder zur Seite, die deutlich ernstere Anliegen in den Blick nehmen. Überaus sensibel gibt „So vermisst“ zum Beispiel dem Gefühlschaos Ausdruck, das sich zwischen Kopf und Bauch breit macht, wenn das eigene Haustier plötzlich verschwindet. In „Karussell“ wird der Rummelplatz zum leuchtenden Sehnsuchtsort in schweren Stunden und in Momenten akuter Überforderung offenbart sich das „Baumhaus“ als Safe-Space für Kinder. In insgesamt 12 Songs erschaffen Deniz & Ove einen klanglichen Kosmos, der von einer zutiefst positiven Grundhaltung, handwerklicher Präzision und viel Empathie für kindliche Sichtweisen geprägt ist. Wem bei ihren Liedern nicht das Herz aufgeht, der hat keins.

Fazit: „Ich kann wieder Songs schreiben wie zu einer Zeit, bevor man so viel wusste.“ So beschreibt Deniz Jaspersen in einem Interview den Zauber, der ihn beim Komponieren seiner ersten Kinderlieder heimsuchte. Diese besondere Magie steckt eindeutig auch im zweiten Werk von Deniz & Ove. Vor lauter Spielfreude scheinen sich die beiden Musiker auf „Looping“ sprichwörtlich zu überschlagen. Vom ersten bis zum letzten Ton versprüht das Album eine ansteckende Leichtigkeit. Die mit größter Sorgfalt auskomponierten Songs schmiegen sich behaglich in den Gehörgang und nur allzu gern gewährt man ihnen, sich dauerhaft dort einzunisten. Vergleiche zu Deine Freunde können bei dieser Band allerdings nur in die Irre führen, denn Deniz & Ove bewegen sich in einem völlig anderen musikalischen Genre. Nicht Beats und Bass stehen bei ihnen im Fokus, sondern klassisches Songwriting mit eingängigen Melodien. Hinzu kommt, dass sich die beiden deutlich weniger anstrengen, auch Eltern gefallen zu wollen – einen Song wie „Mama sieht toll aus“ mal außer Acht gelassen. Gerade weil sie kompromisslos die Sichtweise von Kindern einnehmen und sich jeglichen selbstreferentiellen Habitus sparen, können sie überaus befreit aufspielen. Genau wie Deine Freunde kommen auch Deniz & Ove übrigens aus Hamburg. Ob die Mitte der 90er-Jahre mit dem Etikett „Hamburger Schule“ gelabelte popkulturelle Strömung gerade ausgerechnet in der Kindermusik eine Renaissance erfährt? Der Vergleich zeugt natürlich von einer ziemlich verdrehten Perspektive, aber während eines Loopings steht die Welt ja bekanntlich auch auf dem Kopf.


Video




Erschienen bei


Oetinger Audio

Veröffentlicht


2023

Bewertung der Redaktion: 5/5


Bewertung der Leser*innen: 5/5


Künstler*in



Bandfoto "Deniz & Ove"

Deniz & Ove

Ein Kommmentar



21.10.2023 21:14

Raphaela



Ich kann mich dieser sehr positiven Bewertung nur anschließen, ich bin mehr als begeistert! Zum Thema "Hamburger Schule" möchte ich noch anmerken, dass es in diesem Kontext ja mehr als passend erscheint, dass in dem Lied "Papa sagt immer ja" offensichtlich Bernd Begemann die Rolle des Papas übernommen hat. Absolut großartig!

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