Album-Cover "Menschenskind"
01.01.2021


Bürger Lars Dietrich: „Menschenskind“



Hey Kids, ich bin einer von euch!



Als Musiker, Moderator, Komiker, Schauspieler, Sprecher, Buchautor und Tänzer hat Bürger Lars Dietrich viele Talente. Angesichts dieser zahlreichen Aktivitäten klingt es nach einer logischen Konsequenz, dass er auch ein eigenes Musikalbum für Kinder veröffentlicht hat. Wie schon so viele andere Künstler*innen vor ihm, gibt auch er vor, Musik für die ganze Familie zu machen. Um genau zu sein: Hip-Hop für die ganze Familie. Damit dieser Plan aufgeht, hat sich Büger Lars Dietrich prominente Unterstützung ins Studio geholt. Produzent Tai Jason hat bereits Genre-Größen wie Fler, Sido, K.I.Z. oder Samy Deluxe zu Ruhm und Anerkennung verholfen. Entsprechend stilecht ist auch die musikalische Umsetzung dieses Albums geraten. „Menschenskind“ ist ein Feuerwerk an Beats und Samples und überzeugt vom ersten bis zum letzten Ton durch seine professionelle Machart – auch wenn es in der Summe etwas überladen klingt. Manchmal entsteht der Eindruck, die zwei hätten ihre Sound-Libraries in einen Topf geworfen und darauf gewettet, sie auf einer einzigen Platte vollständig unterbringen zu können.

Für Irritationen sorgt jedoch die Ansprache in manchen Texten. Schon im titelgebenden Opener „Menschenskind“ heißt es: »Sie machen ziemlich viel Lärm und toben rum mit Gebrüll / sie hüpfen auf Matratzen auf und ab und sitzen ungern still.« Ähm, Moment... Hab ich was verpasst? Wird hier über Kinder gesprochen, anstatt zu oder zumindest mit ihnen zu sprechen? Diese Grundsatzfrage stellt sich im Verlauf des Albums immer wieder. „Schonung“ ist musikalisch zwar durchaus heiter geraten, vernachlässigt aber genauso die Perspektive der Zielgruppe. (»Ich mach die Glotze an und gucke Netflix und esse Chips (...) Ich brauche Schonung / darum bleib ich in der Wohnung.«) Auch in „Ich bin wie ich bin“, „Die Königin der Nacht“ oder „Ich will doch nicht“ berichtet Bürger Lars Dietrich vornehmlich aus seiner eigenen Lebenswelt, findet dabei aber zumindest Reime, die vermutlich auch Kinder erheitern.

Deutlich überzeugender ist das Album immer dann, wenn harmlose Albernheiten zum Ausgangspunkt für einen Song werden. Das gilt beispielsweise für „Das Rap-Huhn“ (»Put put put your Flügel in the air«), den „Jodel-Opa“ (»Opa geht gut ab / weil er Rhythmus im Blut hat«) oder „Schnauze voll“ (»Brudi laber mich doch bitte nicht so zu / ich hab die Backen voll und kaue wie ne Kuh«). In diesen Momenten kommt das verspielte Kind in Bürger Lars Dietrich zum Vorschein, das sich auf Augenhöhe zur anvisierten Hörer*innenschaft wähnt. Richtig gut gelungen sind „Mama sooo peinlich“ oder „Du warst ganz genauso“, zwei Lieder, die voll auf die Perspektive von Kindern setzen und mit übervorsorglichen Müttern bzw. allzu strengen Vätern abrechnen. (»Kein Problem Papa, wir müssen uns nicht streiten wegen deinen Dummheiten / lass uns auf meinen rumreiten.«) Deutlich an Kinder adressiert ist auch „Mach es nochmal“ das dazu ermuntert, niemals den Mut zu verlieren. (»Wenn ich auf die Fresse fall / ist mir egal, ich probier’s nochmal.«) Und mit reichlich Ohrwurm-Potential feiert „Ich mag den Regen“ das kindliche Spiel im Matsch und in Pfützen. (»Ich mag den Regen, da geht‘s mir wie den Pflanzen / ich will bei Regen immer singen und tanzen.«)

Fazit: „Menschenskind“ bietet Bürger Lars Dietrich viel Raum, um seine Vielseitigkeit als Künstler unter Beweis zu stellen. Den weiß er durchaus zu nutzen. Ausgehend von seinen eigenen Erfahrungen versucht er auf unterschiedlichsten Wegen, sich als Verbündeter der Kinder zu positionieren. Ganz so, als wollte er ihnen zurufen: „Hey Kids, ich bin einer von euch!“ Man könnte dem Endvierziger unterstellen, dass er sich Sorgen um seine Zukunft im Kinderfernsehen macht und sich mit diesem Album vor allem seiner eigenen Relevanz versichern möchte. Das dürfte er aber kaum nötig haben. Denn Bürger Lars Dietrich tut das was er tut mit spürbarer Freude und positiver Grundhaltung und scheint durch seine Arbeit für Kinder ewig jung zu bleiben. Von diesem Spirit ist auch „Menschenskind“ geprägt. Langjährige Medienerfahrung mit Kindern und geballte Musikkompetenz münden auf diesem Album in 16 Liedern, interpretiert von einem Menschen, der offenbar nie aufgehört hat, selbst Kind zu sein. Folglich lässt sich die Platte weder der Gattung „Kindermusik“ zuordnen, noch mit dem Label „Family Entertainment“ etikettieren. „Generationenübergreifende Musik“ trifft es in diesem Fall wohl eher – Menschenskinder sind wir schließlich alle.


Video




Erschienen bei


Karussell / Universal Music GmbH

Veröffentlicht


2020

Bewertung der Redaktion: 4/5


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