28.05.2021


Randale: „Never mind the Blockflöte, here's the Randale“



Ein guter Grund für einen Plattenspieler



Nach siebzehn Jahren und zehn Studioalben beglücken Randale sich selbst und ihre Fans mit einem Geschenk der besonderen Art – wobei sich die Band offenbar selbst nicht ganz sicher ist, ob nun die Kinder oder nicht vielmehr deren Eltern dabei vor Freude in Verzückung geraten werden. „Never mind the Blockflöte, here’s the Randale“ kommt nämlich als 180 Gramm schweres Vinyl und frisch remastered daher. Auch das in Sonderfarben gedruckte Cover dürfte eher die Aufmerksamkeit von Erwachsenen als von Kindern auf sich ziehen. Allzu offensichtlich ist es nämlich an das Cover des 1977 erschienenen Albums „Never mind the bollocks, here’s the Sex Pistols“ der britischen Punk-Band Sex Pistols angelehnt. Die Platte gilt als stilprägend für die Punk-Szene der späten 70er Jahre, entfachte seinerzeit aber nicht nur wegen der vermeintlichen Obszönität des Albumtitels („bollocks“ kann man umgangssprachlich auch mit „Klöten“ übersetzen) überaus kontroverse Debatten. Dass das Cover heute wie selbstverständlich eine Kindermusikplatte ziert, dürfen wir als einen untrüglichen Beleg für gesellschaftlichen Fortschritt werten.

Dass die Bielefelder Band Randale es als Cover für ihre erste Vinyl-Veröffentlichung ausgewählt hat, ist wiederum kein Zufall, sondern Teil eines klugen und für die Gattung Kindermusik einzigartigen Konzepts. Denn auf „Never mind the Blockflöte“ bündelt die Band zwölf Lieder, die allesamt von Punkrock inspiriert sind. Zwar haben Randale mit Heavy-Metal, Rock, Reggae und bisweilen sogar Disko auch ganz andere Stilrichtungen in ihrem Repertoire, doch mit diesem Sampler fokussieren sie sich auf ein musikalisches Genre, dem traditionell das Widerspenstige eingeschrieben ist. Denn gemeinhin gilt Punkrock als laut und unangepasst – zwei Eigenschaften, die auch Kindern gerne zugeschrieben werden. So legt schon die konzeptionelle Idee den Verdacht nahe, dass hier zusammenkommt, was zusammengehört.

Gleich der erste Song bestätigt diese Vermutung dann auch konsequent. „Kinderzimmer Punk“ ist eine vor Selbstbewusstsein strotzende Ansage des rebellischen Kinds. (»Ich hüpfe auf dem Bett und sitze auf dem Schrank / ich bin nicht immer nett, ich bin ein Kinderzimmer Punk.«) Ebenso unmissverständlich ermutigt „Nein“ Kinder dazu, eigene Bedürfnisse zu formulieren und sich von den Erwartungshaltungen Erwachsener abzugrenzen. (»Nein! Nein heißt Nein! / Und das soll dann auch so sein!«). „Punkpanda Peter“ ähnelt dagegen einer Fabel, mit der die Band die unangepasste Haltung und das oft als provokant wahrgenommene Erscheinungsbild von Punks würdigt. (»Nase, Lippe, Ohren, alles ließ er sich durchbohren / die Sicherheitsnadel, die macht ihn zum Punker-Adel. (...) Er ist ein wirklich wilder Typ / und trotzdem hab ich ihn so lieb.«)

Doch „Never mind the Blockflöte“ beschränkt sich nicht einseitig auf die naheliegende Idee, Rebellion und Widerstand in kindgerechte Sprache zu überführen. Vielmehr gelingt dem Großteil der Songs, eine stilechte musikalische Umsetzung und kindliche Lebenswelten passgenau zusammenzuführen. So ist „Wunderbar“ eine laute Liebeserklärung an die eigenen Eltern, „Brille“ macht Brillenträger*innen zu selbstbewussten Stilikonen und „Super Doppel Doof“ greift die Sorgen eines Kindes im Krankenhaus auf. Wieder andere Lieder unterliegen Intentionen, die sich mit dem Label „pädagogisch wertvoll“ etikettieren lassen. „Kommando Ampel“ beispielsweise übt sich in Verkehrserziehung, „Mach dich locker“ greift die Grundregeln eines klassischen Bewegungslieds auf und mit „Der Kuckuck und der Esel“ ist sogar ein sehr eigenwillig interpretiertes, traditionelles Kinderlied auf der Platte vertreten. Spätestens, wenn Randale im letzten Song „Polizei“ den freundschaftlichen Schulterschluss mit der Exekutiven sucht, zeigt die Band, dass die Leidenschaft für Punkrock nicht zwangsläufig mit der Ablehnung bürgerlicher Normen und Werte einhergeht. Neben aller spürbaren Freude an der musikalischen Umsetzung, hält die Platte also auch noch einen echten gesellschaftspolitischen Lerneffekt bereit.

Fazit: Absolut überzeugend besinnen sich Randale mit „Never mind the Blockflöte“ auf ihre größte Stärke. Die vermeintliche Eingrenzung auf zwölf Punkrock-Titel bringt die besondere Qualität der Band ungefiltert zum Vorschein. Wer schon einmal bei einem Randale-Konzert dabei war, der weiß, dass die vier Bielefelder Musiker auf die ungebremste Energie einer Live-Band setzen. Eben diese Energie überträgt sich auch hier von der ersten bis zur letzten Sekunde. Klar, die Jazzpolizei hätte dabei viel zu tun. Doch eines der wesentlichen Stilmerkmale von Punkrock ist es nunmal, fast trivial-einfache Kompositionen mit originellen Inhalten zu verknüpfen. Innerhalb dieses spezifischen Genres ist (zumindest bislang) keine andere Kindermusikband in der Lage, Randale das Wasser zu reichen. In Kombination mit dem hochwertigen Trägermedium und dem musikhistorisch bedeutsamen Cover, zeugt die Produktion von einem rundherum gelungenen Konzept. Mehr Stilbildung geht praktisch nicht. In letzter Konsequenz gibt es die Platte deshalb auch bei keinem Streaming-Anbieter zu hören, sondern ist nur im gut sortierten Plattenhandel oder im Online-Shop der Band käuflich zu erwerben. Keinen Plattenspieler zu besitzen, ist als Ausrede allerdings nicht zulässig. Im Zweifel ist „Never mind the Blockflöte“ ein guter Grund, sich endlich einen zuzulegen.


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Erschienen bei


Newtone

Veröffentlicht


2021

Bewertung der Redaktion: 5/5


Künstler*in



Bandfoto "Randale"

Randale

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