23.09.2021


3Berlin: „Nicht von schlechten Eltern 2“



Gegensätze ziehen sich an



Eine gelungen umgesetzte Kindermusik-Compilation ausfindig zu machen, gleicht oft der berühmten Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Wer sich noch nie eingehender mit dieser musikalischen Gattung beschäftigt hat, verliert im allgemeinen Überangebot schnell die Orientierung und muss sich im Zweifel auf vollmundig formulierte Versprechungen auf dem Cover verlassen. Attribute wie „Die besten...“, „Die schönsten...“ oder „Die beliebtesten...“ suggerieren, dass sich Eltern, Erzieher*innen und nicht zuletzt Kinder auf eine exzellente Liedauswahl freuen dürfen. Musikalisch lösen die Produktionen dann aber oft nicht ein, was sie vorzugeben versuchen. Die Compilation-Reihen „Unter meinem Bett“ und „Giraffenaffen“ haben hier in den letzten Jahren für frischen Wind gesorgt. Mit „Nicht von schlechten Eltern“ hat aber auch das Berliner Kollektiv 3Berlin in diesem Segment ein Konzept mit besonderem Alleinstellungsmerkmal vorzuweisen.

2008 gründeten Carsten Schmelzer, Diane Weigmann und Tobias Weyrauch ein gemeinsames Produktionsteam und stellten die Summe ihrer individuellen Erfahrungen fortan in den Dienst gemeinsamer musikalischen Interessen. Fokussierten sie sich als 3Berlin zunächst noch auf Auftragsarbeiten wie Filmmusiken oder Jingle-Kreationen, etablierte sich das Trio mit Titelliedern zu Kinderfilmen, Musikhörspielen und eigenen Albumproduktionen für Kinder zunehmend auch in der Kindermusik. All diese Erfahrungen bündeln sich auf „Nicht von schlechten Eltern 2“ (der Nachfolger einer bereits 2016 erschienenen ersten Auflage) zu einem Gesamtkonzept, das im Wesentlichen auf zwei Säulen beruht: Die prominente Beteiligung ausgewählter Kindermusiker*innen und die Erfahrung eines eingespielten Produzent*innen-Teams, das eine glaubwürdige Leidenschaft für gute Kindermusik mitbringt.

Genau die kommt zum Vorschein, wenn „Nur für Kinder“ die Compilation mit reichlich Ironie eröffnet: »Kennst du das neueste Kinderlied mit Plastiksound und Billigbeat?«, fragt Diane Weigand mit deutlichem Augenzwinkern. »Ist doch nur für Kinder!«, erwidert ihr eine Schar leicht aufgebrachter Kids. Die Botschaft des Songs ist ziemlich unmissverständlich und unterstreicht das Anliegen der Produktion: Hört her, es geht auch anders! Ob es diese Einführung wirklich braucht, das sei mal dahingestellt. Über die nachfolgenden dreizehn Songs gelingt 3Berlin aber eine recht überzeugende Beweisführung ihrer einleitend aufgestellten These. Im Zusammenspiel mit wechselnden Kindermusiker*innen greifen die dreizehn Lieder zahlreiche Themen aus dem kindlichen Alltag auf. Die zum Teil grundverschiedenen Einflüsse der beteiligten Künstler*innen werden dabei nicht nur durch Diane Weigmanns gesangliche Begleitung zusammengehalten, sondern vor allem von einem zeitgemäßen Sound, der die Handschrift der einzelnen Musiker*innen stets mitzudenken versucht. So entsteht ein musikalischer Rahmen, in dem ernste, freudige, traurige, alberne und auch missmutige Gemütslagen zwar auf individuelle Weise angesprochen, irgendwie aber doch gemeinschaftlich verhandelt werden.

Altmeister Robert Metcalf steuert mit „Der Ohrwurm“ ein beschwingtes Morgenlied bei, das sich tatsächlich ziemlich leicht im Gehörgang einnistet. Gemeinsam mit Bürger Lars Dietrich werden die Kinder in „Mach ich einfach morgen“ dazu ermuntert, sich in Müßiggang und Gelassenheit zu üben. (»Dieser Tag ist wirklich viel zu schön, um all den doofen Pflichten nachzugehen. / Will heute über all den Dingen stehen, ich mach das einfach morgen.«) In gekonnt gerappten Zeilen steuert D!E GÄNG in „Zähne“ Grundlagenwissen über den Sinn und Zweck regelmäßiger Mundhygiene bei. (»Die Ersten, die Zweiten, wenn’s sein muss die Dritten / wenn du keine hast, dann kaust du mit den Lippen.«) Und Jochen Vahle (Randale) plädiert in „Stark“ für ein gut austariertes Verhältnis von elterlicher Fürsorge und kindlichem Freiheitsdrang. (»Halt dich fest und lass mich los / nur wer wachsen darf wird groß.«) Manche Lieder finden besonders gelungene Wege, um Wort und Musik miteinander in Einklang zu bringen. Etwa, wenn in „Kein Bock auf Rock“ (feat. Suli Puschban) sprachliche Widersprüchlichkeiten im Wechsel aus verzerrten Gitarren und tanztauglichen Disko-Beats auch eine musikalische Entsprechung finden. Oder wenn in „Affenhitze“ (feat. Kai Lüftner) orientalisch anmutende Klänge mit zirkulären Rhythmen ineinanderfließen und so die Trägheit eines viel zu heißen Sommertags stimmig in Szene setzen. (»Mein Hirn fühlt sich an wie geschmolzene Lakritze / hundertprozentige Affenhitze.«) Bei anderen Beteiligten (wie etwa dem Moderator Andre Gatzke, der Autorin Tanya Stewens oder dem Schauspieler Thomas Nicolai) erschließt sich zwar nicht unmittelbar ihr Bezug zur Kindermusikszene. Auch ihre musikalischen Beiträge fügen sich aber gut in das Gesamtwerks ein.

Fazit: Im Vergleich zu anderen Compilations, die im Titel diverse Superlative bemühen, ist die hier gewählte doppelte Verneinung ausgesprochen klug gewählt. Zwar deutet auch die Zuschreibung „Nicht von schlechten Eltern“ ein Werk von besonderer Qualität an, ist dabei aber deutlich bescheidener formuliert. Sympathisch rollt das Kollektiv 3Berlin seinen Kolleg*innen den akustischen Teppich aus, um ihn dann gemeinsam mit ihnen zu beschreiten. Mal dominiert kindlicher Quatsch, mal eine tiefgründige Botschaft. Immer steht jedoch die Lebenswelt von Kindern und Familien im Fokus. Die Expertise des Produzent*innen-Teams, das sich in den verschiedensten musikalischen Genres zuhause zu fühlen scheint, fügt all das zu einem stimmigen Ganzen zusammen – auch wenn die individuellen Einflüsse der musikalischen Gäste dabei manchmal etwas zu glatt ausgebügelt werden. Am Ende bringt der von mehreren beteiligten Künstler*innen vorgetragene Song „Gegensätze ziehen sich an“ den besonderen Mehrwert der Platte schön auf den Punkt: »Eins plus eins ist deutlich mehr als keins. / Also raufen wir uns zusammen, denn selbst die größten Gegensätze ziehen sich an.« Kinder und Familien werden ihre Freude an dieser vielseitigen Produktion haben und würden sich sicher auch über eine dritte Ausgabe von „Nicht von schlechten Eltern“ freuen. Für das Frühjahr 2022 haben 3Berlin jetzt aber erstmal ein eigenes Album angekündigt. Mal sehen, ob das tatsächlich ganz ohne musikalischen Gäste auskommen wird.


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Erschienen bei


Universal Music GmbH

Veröffentlicht


2018

Bewertung der Redaktion: 4/5


Künstler*in



Bandfoto 3Berlin

3Berlin

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