27.08.2021


Larifari: „Ob groß, klein, dick, dünn, blau oder durchsichtig“



Alles andere als musikalischer Nonsens



Bühne frei für zwei vielversprechende Newcomer in der Kindermusik-Szene. Gleich am Ende ihrer Schulzeit beschlossen Jan Hinrichs und Henri Heiland, für ein paar Monate nach Estland aufzubrechen, um dort gemeinsam Musik zu machen. Im Ergebnis entstand ihr erstes Kindermusik-Album „Von allerlei Gestalten“, dem die Unerfahrenheit und Ambition der damals noch sehr jungen Musiker gleichermaßen anzuhören sind. Die Reise liegt inzwischen einige Jahre zurück, doch die Faszination für Kinderlieder scheint den beiden Freunden erhalten geblieben zu sein. Sie gründeten nicht nur ihr eigenes Label hin und herr Produktionen, sondern vertieften ihre Kenntnisse und Fertigkeiten als Kindermusiker auch mit der Wahl entsprechender Studiengänge. In diesem Umfeld scharten sie zahlreiche Menschen um sich, die sie mit ihrer Leidenschaft für handgemachte Kindermusik anstecken und begeistern konnten. Mit „Ob groß, klein, dick, dünn, blau oder durchsichtig“ legt dieses Kollektiv als Larifari nun ein zweites Album vor, das in mancherlei Hinsicht aufhorchen lässt.

Musikalisch überzeugen die Lieder von Larifari durch die Kombination akustischer Instrumente mit spärlich aber umso gezielter eingesetzten Effekten und Sounds, die die Atmosphäre jedes einzelnen Songs stimmig ausschmücken. Inhaltlich umschifft die Band lineare Erzählstrukturen und fordert ihre jungen Zuhörer*innen stattdessen in ihrer kindlichen Phantasie heraus. Schon der Opener „Wald Bugi Wugi“, in dem die Tiere des Waldes gemeinsam das Tanzbein schwingen, veranschaulicht diesen Mix auf überzeugende Weise. Gekonnt greift der Song die Stilmerkmale von Boogie Woogie auf und garniert sie mit Rock’n’Roll-Elementen. In „Wie ist das Wetter auf dem Mond“ stibitzt sich die Oma mehr oder weniger den kompletten Hausrat, um sich eine Rakete für ihre Mondmission zu bauen. Sinnbildlich ließe sich der Text beinah als Metapher für den Tod verstehen, wenn nicht die lebhaften elektronischen Klänge, die das Lied musikalisch prägen, eher im Widerspruch zu dieser Interpretation stünden. „Im Diskokühlschrank“ verknüpft die wählerischen kulinarischen Vorlieben von Kindern mit der Frage nach dem Leben hinter der geschlossenen Kühlschranktür und bringt als Diskofunk-Nummer eine weitere Facette der Band zum Vorschein. „Hey-jamaja-hiey“ wiederum hält ein flammendes Plädoyer für das lustvolle Matschen im Schlamm, tarnt sich stilistisch aber als meditative Lautmalerei, die an das musikkulturelle Erbe indigener Völker erinnert.

Nicht nur im letztgenannten Lied steht die Sängerin Eva Sauter am Mikrofon, die mit ihrer federleicht schwingenden, sehr präzisen Stimme sowie mit ihrem kreativen Einfluss auf die Texte maßgeblich zur Qualität dieses Albums beiträgt. Lieder wie „Nackig vor“ oder „Schöne Haare“ zeugen von ihrem besonderen Talent und strahlen eine fröhliche Unbekümmertheit aus, die absolut ansteckend ist. Das von Henri Heiland andächtig vorgetragene „Ein nigelnagelneuer Drachen“, das von den Abenteuern eines Drachen erzählt, der sich von seiner Leine losgerissen hat um neugierig die Welt zu erkunden, verfängt dagegen auf eher melancholische Weise. Den Schlusspunkt der Produktion setzt schließlich das Schlaflied „Kleine Helden“, das Kinder einfühlsam daran erinnert, dass auch ihre kindlichen Held*innen abends ins Bett gehen und sich ausruhen müssen.

Fazit: Auch wenn „Ob groß, klein, dick, dünn, blau oder durchsichtig“ mit gerade mal neun Titeln etwas kurz geraten ist, überzeugt die Produktion auf ganzer Linie. Klar, hier und da sieht und hört man Larifari ihren Status als Newcomer noch an. Einzelne sprachliche Bilder sind etwas schief geraten, bisweilen hätten die Kompositionen noch sorgfältiger ausgearbeitet werden können und auch bei der Gestaltung des Artworks ist noch Luft nach oben. Doch all das ist Jammern auf vergleichsweise hohem Niveau. Viel entscheidender ist, dass der Platte viel liebevolles Engagement und ein deutlicher künstlerischer Gestaltungswille anzuhören sind. Die meisten Lieder sprengen das einengende Korsett des Popsongs von dreieinhalb Minuten Länge und bieten den Musiker*innen sowie den poetisch anmutenden Geschichten viel Raum zur Entfaltung. Führt man sich überdies vor Augen, dass die gesamte Produktion in Eigenregie entstanden ist, muss man der Band einmal mehr großen Respekt für ihre Energie und ihren Durchhaltewillen zollen. Ohne Jan Hinrichs und Henri Heiland ihre Rollen als Bandgründer streitig machen oder ihr musikalisches Können runterspielen zu wollen, bleibt aber vor allem festzuhalten: Mit Eva Sauter betritt hier eine besondere Künstlerin die Bühne, die der Kindermusikszene hoffentlich noch lange erhalten bleiben wird. Umgangssprachlich steht das Wort „Larifari“ übrigens für sinnloses Geschwätz oder Nonsens. Erstaunlich, dass sich die Musiker*innen ausgerechnet diesen Bandnamen ausgesucht haben. Denn Larifari machen ganz sicher alles andere als sinnlose Musik für Kinder.


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Erschienen bei


hin und herr Produktionen

Veröffentlicht


2021

Bewertung der Redaktion: 3/5


Künstler*in



Larifari

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