Albumcover "Ordentlich Durcheinander"
05.05.2023


Deine Freunde: „Ordentlich Durcheinander“



Neues aus dem Mainstream



Deine Freunde, das sind Flo, Lukas und Pauli. Drei Hamburger Musiker, die seit inzwischen elf Jahren Songs für Kinder machen und... Nein, Stop! Dieses Trio bedarf bestimmt keiner langen Vorrede mehr. Wirklich alle Menschen, die sich auch nur ein kleines bisschen für Kindermusik interessieren, kennen diese Band. Vermutlich hat sie inzwischen sogar weit mehr Fans unter Eltern, als unter Kindern – und das ist rückblickend betrachtet auch kaum verwunderlich. Denn mit der Gründung von Deine Freunde haben die drei Musiker im Jahr 2012 eine wahre Pionierleistung vollbracht, die den Grundstein für eine kleine Revolution im Kindermusikmarkt gelegt hat. Mit kreativen Ideen, Intelligentem Wortwitz, einer auf allen Ebenen professionellen Performance und vor allem einem guten Gespür für den täglichen Wahnsinn im Familienalltag, haben Deine Freunde das als angestaubt geltende Etikett Kindermusik auf Hochglanz poliert. Und siehe da, plötzlich stellten selbst die größten Skeptiker*innen überrascht fest: Kindermusik kann auch cool sein und der ganzen Familie Freude bereiten!

Mit „Ordentlich Durcheinander“ legen Deine Freunde nun ihr siebtes Studioalbum vor, zu dessen künstlerischen Umsetzung es im Grunde nicht viel Neues zu sagen gibt: Die „dicksten Bässe der Branche“ von Pauli untermalen das bewährte Wechselspiel aus von Flo gerappten Strophen und von Lukas gesungenen Refrains. Thematisch dominieren dabei die Banalitäten des Alltags. Es geht um Schule, Unordnung, Verbote oder schlechte Verlierer. Manchmal wird aber auch einfach eine recht simple Idee kreativ ausgearbeitet. In schwindelerregender Taktung reiht zum Beispiel der Titeltrack „Ordentlich durcheinander“ sprachliche Widersprüche aneinander. (»Ihr dürft ruhig laut sein / das nehmen wir euch nicht gerade krumm.«) Gesanglich lassen sich Deine Freunde dabei von der Stimme eine KI begleiten und erzeugen damit auch künstlerisch einen klugen Widerspruch. „Dumme Witze“ funktioniert ähnlich, denn in dem Song geben sich dutzende Wortwitze die Klinke in die Hand, die einer nur mäßig lustigen Vaterfigur zugeschrieben werden. (»Dumme Witze, keiner lacht / Daddy hat mal wieder einen Dad-Joke gemacht.«). Mit allerlei kindlichen Provokationen bringt „Tanz auf dem Vulkan“ den Geduldsfaden aller Eltern auf Spannung, während „Haustier“ ziemlich wortgewandt das ganze Spektrum zwischen Wunsch und Wirklichkeit eines Lebens mit Hund, Katze, Hamster oder Goldfisch reflektiert. (»Ich will ein Haustier, eines das ich fütter oder ausführ / dann will ich nie wieder was anderes, glaub mir.«) Manchmal geht es in den vornehmlich spaßgetriebenen Songs sogar ein bisschen ernster zu, etwa wenn in „Wo ist?“ die Suche nach verlorenen Gegenständen mit der Suche nach dem Sinn des Lebens in Verbindung gebracht wird. Nur einige von insgesamt 19 Tracks, die vor allem die inhaltliche Treffsicherheit der Band exemplarisch widerspiegeln.

Kennzeichnend für den Stil von Deine Freunde ist aber auch ihr Rundumblick auf kindliche Lebensrealitäten. Hier und da wird aus erwachsener Perspektive auf Kinder herabgeschaut, bevorzugt nimmt die Band aber die Sichtweise von Kindern ein. Und gerne singt sie auch mal über sich selbst. („Wir holen euch ab“, „Das schlechteste Lied seit Jahren“, „Lügenbaron“) Bei alldem können sich Eltern wieder über die ein oder andere popkulturelle Referenz freuen und dabei in Erinnerungen an ihre eigene musikalische Sozialisation schwelgen. Anders gesagt: Deine Freunde haben längst ihre ganz eigene Kindermusikrezeptur gefunden und makellos perfektioniert. Kindern, die naturgemäß alle paar Jahre aufs Neue als Zielgruppe erobert werden müssen, hat die Band damit konstant viel zu bieten. Doch erwachsene Hörer*innen könnte vor allem die klangliche Redundanz auf Dauer ein wenig ermüden.

Vielleicht stecken Deine Freunde auch deshalb mindestens genauso viel Energie in die Verpackung wie in ihre Musik? Je mehr sich nämlich das musikalische Konzept der Band festigt, desto innovativer gedeiht das Drumherum. Das bewies zuletzt die „Ordentlich Durcheinander Show“ (DODS), die Deine Freunde in Zusammenarbeit mit der Bild- und Tonfabrik, der gegenwärtig wohl experimentierfreudigsten Produktionsfirma für Bewegtbilder im Fernsehen und im Internet, realisiert und bereits vor Wochen im Facebook-Livestream ausgestrahlt haben. In dem von Marijke Amado (die Älteren erinnern sich) moderierten Format hatten drei Juroren die ehrenvolle Aufgabe, neue Songs für das neue Deine Freunde-Album auszuwählen. Klar, dass Flo, Lukas und Pauli dabei nicht nur als Juroren agierten, sondern zugleich fünf verschiedene Bands imitierten, die sich diesem vermeintlichen Wettbewerb stellten. Die Grundidee ist auch hier so einfach wie genial: Wenn Kindermusik im regulären Fernsehprogramm noch immer keine Plattform bekommt, dann produziert die Band eben kurzerhand ihr eigenes Show-Format. Komplett durchgeskripted persiflierte DODS nicht nur das Konzept der hinlänglich bekannten Talent-Shows, sondern zeugte vor allem vom unerschöpflichen Ideenreichtum der Band und ihrer kreativen Mitstreiter*innen. Ganz nebenbei sind dabei noch ein paar Musikvideos entstanden, die sich im Zuge des Album-Release gut nutzen lassen. Das ist Promo-Arbeit und kreative Selbstverwirklichung auf höchstem Niveau.

Fazit: Kritik an Deine Freunde zu üben gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Was sollte man einer Band, die alles richtig zu machen scheint und gefühlt von allen geliebt wird, schon vorwerfen? Lukas, Flo und Pauli machen was sie wollen und gewinnen gerade dadurch an Authentizität – die wohl wertvollste Währung in der Kindermusik. Klar, vieles auf ihrem siebten Album kommt einem irgendwie bekannt vor, aber das dürfte Kindern wie Eltern, die sich ohnehin nur für ein paar Jahre von der Band begleiten lassen, deutlich weniger auffallen und ihnen demzufolge egal sein. Mit dem melancholischen Schlusslied „Schon bist du in der Pubertät“ thematisiert sie sogar selbst das Dilemma, dass es auch „die coolsten Kinderband der Welt“ mit einer Zielgruppe zu tun hat, die früher oder später mit ihr zu fremdeln beginnt. (»Die Zeit vergeht, schon bist du in der Pubertät / auch deine Lieblingsband versteht / an dir zu klammern macht keinen Sinn, es geht woanders hin.«) Mit Ehrgeiz, Mut und gewachsenem Selbstvertrauen haben Deine Freunde zeitgemäße und qualitätsbewusste Kindermusik in das kollektive Bewusstsein überführt – und werden sie auch mit „Ordentlich Durcheinander“ weiter dort halten. Nach dem musikalischen Genre von Deine Freunde befragt, antwortete Lukas vor einiger Zeit in einem Podcast-Interview: „Unser Genre ist Mainstream!“ Angesichts dieser zutreffenden Selbstbeschreibung kann man sich eigentlich nur wundern, dass einem viele Eltern die Band noch immer euphorisch als musikalische Neuentdeckung unter die Nase reiben. Letztlich zeugt diese Beobachtung aber wohl von einer anhaltend großen Nachfrage nach gut gemachter Kindermusik. Da kann man Deine Freunde nur dankbar sein, dass sie die Szene vor mehr als zehn Jahren so ordentlich durcheinander gebracht haben.


Video




Erschienen bei


Sturmfreie Bude/Universal Music

Veröffentlicht


2023

Bewertung der Redaktion: 4/5


Künstler*in



Pressefoto "Deine Freunde"

Deine Freunde

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