26.03.2021


Pelemele: „Der Wëcker“



20 Jahre und kein bisschen leiser



Kaum zu glauben, dass diese Band bereits ihr 20-jähriges Bühnenjubiläum feiert. Seit zwei Jahrzehnten sind Pelemele inzwischen als Rockband für Kinder unterwegs und von Anfang an haben sie dabei den Anspruch formuliert, das, was sie tun richtig gut zu machen. Mit dieser Haltung haben die Kölner Musiker bereits Qualitätsmaßstäbe gesetzt, als die Kindermusik-Szene insgesamt meist noch müde belächelt wurde. Dass das allgemeine Interesse daran inzwischen deutlich zugenommen hat, dürfte auch den mitreißenden Live-Shows sowie den sehr überzeugenden Studioproduktionen von Pelemele zuzuschreiben sein. Drei Jahre hat sich die Band für ihre inzwischen neunte Veröffentlichung Zeit gelassen, nun beschenkt sie sich selbst und ihre Fans zum runden Geburtstag mit „Der Wëcker“.

Gleich zum Einstieg reißen Pelemele die Kinder mit verzerrter Gitarre und eingängigem Shout-Chorus aus ihrem Winterschlaf. „Der Wecker“ ist die Visitenkarte des Albums und steht exemplarisch für das neue Motto der Band: 100% Rock, 200% Ausrasten. Weitere Titel stehen dieser musikalischen Herangehensweise in nichts nach. Auch „Das Lied im Kopf“ lebt von seinem authentischen Rock-Sound und besingt den Tagtraum jedes angehenden Rockstars. (»In meinem Kopf hör ich ein Lied, das es noch nicht gibt / das spielt diese Band, die bald jeder kennt.«). „Schnick Schnack Schnuck“ geht sogar noch einen Schritt weiter und bedient sich der klassischen Stilmerkmale eines Metal-Songs, der sich nach viereinhalb schweißtreibenden Minuten im ehrwürdigen Klang einer Kirchenorgel auflöst. Schon diese drei Titel lassen den stilistischen Markenkern der Band deutlich durchschimmern.

Wer Pelemele kennt, der weiß jedoch, dass diese Band noch viel mehr als das zu bieten hat. Funk, Ska, Elektro-Pop oder Disko: Es gibt kaum ein Genre, vor dem sich die vier Musiker scheuen würden – und nur sehr wenige Kindermusik-Acts, die in der Lage sind, sie alle stilsicher umzusetzen. Pelemele gelingt das unter anderem auch deshalb, weil sie für viele Songs gleich eine ganze Brass-Section mit ins Studio genommen haben. So machen Trompete, Saxophon und Posaune „Stopp!“ zu einem funky Stopptanz. Auch „Flash Mops“ erinnert an den Disco-Pop der 70er-Jahre. „Kitzelüberfall“ imitiert dagegen die Klangkulisse eines mexikanischen Westerns, während „Arnold tanzt“, dank Talk Box-Effekt und minimalistisch eingesetzten Synthie-Sounds, mit elektronischer Anmutung daherkommt. „Welle“ oder „Musik“ überraschen schließlich als lupenrein produzierte Pop-Songs. Spätestens wenn Frontmann Picco Fröhlich am Ende des letztgenannten Lieds die Zeile »Ohne dich schlaf ich heut Nacht nicht ein« zitiert, drängt sich (vermutlich nicht ganz unbeabsichtigt) der direkte Vergleich zur Münchener Freiheit („Ohne dich“) auf. Mit anderen Worten: Pelemele wagen einen mutigen Spagat und legen sich ordentlich ins Zeug, um musikalisch nicht in eine Schublade gesteckt werden zu können.

Bleibt die Frage, was die Platte Kindern inhaltlich mitzuteilen hat? Nicht sehr viel, lautet die Antwort. Denn Pelemele verstehen sich in erster Linie als musikalische Botschafter. Demzufolge bleiben die meisten Lieder thematisch eher seicht und unverfänglich. Es geht ums Kitzeln, um tanzende Roboter, ums Buddeln im Sandkasten – und natürlich um Musik und die gute Stimmung, die sie verbreitet. Einzig „Smombies“ bemüht sich eher ungelenk um eine Message mit Tiefgang. (»Wischen, tippen, knipsen / heißt der Tanz von allen Smombies.«) Mit Furz-Geräuschen und Pups-Sprachwitz (»Endlich können wir die Flaturbinen starten«) löst „Alle an Bord“ sogar leichte Irritationen aus. Schon auf dem Vorgänger-Album gab es mit „Wir fliegen los“ einen vergleichbaren Song. Die Band scheint diese Art von Humor zu mögen. Für mich persönlich kommt er etwas zu plump und wenig zeitgemäß daher. Doch zum Glück stellen solche Momente auf dem Album die absolute Ausnahme dar.

Fazit: Nach 20 Jahren klingen Pelemele auf „Der Wëcker“ frischer denn je. Dank ihrer stilistischen Vielfalt und professionellen Umsetzung weiß die Produktion musikalisch durchweg zu überzeugen. Die vier Musiker nehmen sich die Freiheit, sich in den verschiedensten Genres auszutoben und zeigen damit einmal mehr, welches kreative Potential in Kindermusik steckt. Umso stärker fällt die ein oder andere inhaltliche Schwäche ins Gewicht. Nicht immer gelingt der Versuch, wortakrobatisch mit Sprache zu arbeiten. Doch Pelemele suchen ohnehin weder den ernsten Diskurs, noch die gewichtigen Themen. Im Fokus steht die Musik, der Spaß daran und bisweilen auch die Band selbst. Viele Songs auf „Der Wëcker“ sind ausdrücklich darauf angelegt, vor allem auf der Bühne zu funktionieren. Genau dort macht Pelemele niemand so schnell den Platz streitig – und genau dort werden viele Kinder die Band hoffentlich bald auch wieder erleben können. Mit wem sonst sollte sie ihr 20-jähriges Bestehen feiern?


Video




Erschienen bei


Seven.One Starwatch

Veröffentlicht


2021

Bewertung der Redaktion: 4/5


Künstler*in



Bandfoto Pelemele

Pelemele

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