01.01.2021


Simon sagt: „Popcorn für alle“



Salz in der Suppe? Leider vergessen!



»Jetzt habt ihr den Salat. Hier kommt Simon sagt!« Mit diesen Worten begrüßt der Hamburger Musiker und Songschreiber Simon Bergholz die jungen Zuhörer*innen auf seinem ersten Album „Popcorn für alle!“. Klingt nicht unbedingt nach einer überzeugten Grundhaltung, ist aber natürlich auch nicht ganz ernst gemeint. Ironie ist in der Kindermusik ja ein sehr beliebtes und oft bemühtes Stilmittel. Selten erhalten Kindermusiker*innen dagegen den Ritterschlag vom Altmeister Rolf Zuckowski. Bislang gelang das nur dem Hip Hop-Trio Deine Freunde, sowie der Hörspielreihe Eule findet den Beat. Beide gehören zum bislang überschaubaren Repertoire des von Zuckowski gegründeten Kindermusik-Labels „Noch mal!!!“. Mit Simon sagt ist ein weiterer Künstler hinzugekommen. Doch bürgt das Urteil des "Godfather of Kindermusik" auch in diesem Fall für Qualität?

Auf den ersten Blick gibt es an „Popcorn für alle!“ kaum etwas auszusetzen. Das Album ist absolut professionell produziert und besticht durch musikalische wie inhaltliche Vielfalt. Als Gitarrist und Songschreiber überzeugt Bergholz durch zahlreiche kreative Ideen, mit denen er bei niemandem anecken dürfte. In Pressetext-Lyrik verfasst klingt das dann so: „Simon sagts Musik klingt wie ein bunter, frecher Animationsfilm, den Jugendliche und Erwachsene genauso lustig finden wie die Kinder. Wäre Simon sagt ein Gesellschaftsspiel, seine Altersangabe lautete “von 6–99” – für die ganze Familie eben.“ In genau diesem Anspruch liegt das elementare Problem der Platte.

Es scheint Simon Bergholz schwerzufallen, sich für eine Zielgruppe zu entscheiden. Auf der einen Seite spricht er gezielt (und durchaus treffsicher) junge Kinder an, auf der anderen Seite will er unbedingt auch den Kindern gefallen, die sich selbst kaum noch als solche verstehen. Dieser Spagat mündet in Songs, die entweder unverfängliche Themen aufgreifen (vgl. „Fahrrad“, „Mittag“, „Kaugummi“ oder „Meine Schwester“), oder aber die Lebenswelt Frühpubertierender abzubilden versuchen (vgl. „Ja Nein Vielleicht“, „Chill Digga“ oder „Mach deinen Computer aus“). Ausgerechnet technikaffine Teenies werden im letztgenannten Titel, wie auch im Punk-inspirierten „Theo“, dann aber wieder als leicht verblödet abgestempelt. Ähnlich irritierend dürften für diese Altersgruppe die drei kurzen Intermezzi sein, in denen Bergholz das Alphabet rückwärts singt.

Einen seiner überzeugendsten Momente hat „Popcorn für alle!“ im Song „Nicht einfach“, in dem Simon Bergholz glaubhaft Empathie für das gestresste Kind aufbringt. (»Mannomann dieses Leben ist nicht einfach / es ist ein hartes Brot von Montag bis Freitag / nichts mit Wunschkonzert auf dem Ponyhof / wem‘s genauso geht hebt die Hände hoch.«) Die schönste musikalische Leistung gelingt ihm aber im allerletzten Lied. „Keine Kinderlieder“ überzeugt mit akustischer Instrumentierung und einer echten künstlerischen Haltung. Davon hätte das Album definitiv mehr vertragen.

Fazit: Leider verliert sich in dem Anspruch, Groß wie Klein gefallen zu wollen, die Handschrift des Künstlers. Stattdessen klingt das Album, als sei es am Reißbrett einer Plattenfirma entstanden, die das Konzept „Family Entertainment“ mit der Brechstange umzusetzen versucht. Ohne Zweifel waren in allen Bereichen Profis am Werk, aber unterm Strich fehlt der Produktion seine Überzeugungskraft. Um es in ein Bild zu fassen: Hier wurden sehr viele Zutaten in den Topf geschmissen, doch ausgerechnet das Salz in der Suppe wurde vergessen. Talent, Ideenreichtum und Anspruch – all das ist hier durchaus angelegt. Was aber noch fehlt ist der unbedingte Wille, sich zur Zielgruppe zu bekennen. Bei Jugendlichen sind musikalische Vorlieben an das Bedürfnis nach Abgrenzung und Eigenständigkeit gekoppelt. Vor diesem Hintergrund dürfte es ein frommer Wunsch bleiben, ihnen und Kindern gleichermaßen gerecht werden zu können. Wenn Simon sagt sein Profil noch ein wenig nachjustiert, könnte das nächste Album aber durchaus ein Volltreffer werden.


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Erschienen bei


noch mal!!! / Universal Music Family Entertainment GmbH

Veröffentlicht


2019

Bewertung der Redaktion: 2/5


Künstler*in



Simon sagt

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