13.08.2021


Yellow Umbrella: „Reggaehase Boooo und das Feuer der Wut“



Gelungene Stilbildung im Offbeat



Bereits zum vierten Mal entführt Reggaehase Boooo junge Musikliebhaber*innen in den Reggaewald. Die aus einer Laune heraus entstandene Hörspielreihe (inkl. Bilderbuch!) geht auf die Initiative der Dresdner Band Yellow Umbrella zurück. 1994 gegründet, hat sich das siebenköpfige Kollektiv ganz dem Offbeat verschrieben, mischt Reggae und Ska aber auch mit Einflüssen aus Klezmer und arabischer Musik. Wie schon die vorangegangenen drei Geschichten über den kleinen, musikbegeisterten Waldbewohner, stammt auch diese aus der Feder von Jens Strohschnieder, der bei Yellow Umbrella für die Tasteninstrumente zuständig ist, hauptberuflich aber als Autor arbeitet. Gemeinsam mit seinen Band-Kollegen hat er ein phantasievolles Universum für Kinder erschaffen, in dem die Begeisterung für Reggaemusik immer im Mittelpunkt steht.

Wie alle Geschichten über den Reggaehasen, wird auch „Das Feuer der Wut“ mit „Boooo’s Song“ eröffnet, ein Titel, der stilistisch gleich Farbe bekennt. (»Ich bin Boooo mit vier „O“ / tanz mit mir und sagt mal alle „Yo!“.«) Die Musik stammt natürlich von Yellow Umbrella, die sich im Hörspiel allerdings Green Rainjackets nennen. Die Formation bringt alle Ressourcen und genug Erfahrung mit, um dieses Musikhörspiel stilecht umzusetzen. Von durchdringenden Baselines ist hier aber nicht nur die Musik gekennzeichnet, sondern auch die Stimme des Erzählers. Denn wieder ist es Dr. Ring Ding, der dem Hörspiel sein tiefes Organ leiht. Wer sich in der Ska-Szene auskennt, der kennt vermutlich auch diesen Namen. Denn der Sänger und Posaunist ist seit weit über 20 Jahren in diversen Formationen aktiv (u.a. El Bosso & Die Ping Pongs, Dr. Ring Ding & The Senior Allstars, The Busters) und stand neben internationalen Szene-Größen wie Doreen Shaffer und den Skatalites auf der Bühne. Besser könnte die Ausgangslage kaum sein.

Die Geschichte über das Feuer der Wut beginnt mit ein paar popkulturellen Anspielungen, an denen vornehmlich Eltern ihren Spaß haben dürften. So wird die Hitparade des Reggaewaldes von Helene Pescador angeführt und einer von Booo‘s Gefährten heißt Peter Fuchs. Sein Freund Herbie, ebenfalls Musiker, möchte sich ab sofort "Mr. Sabber Sabber" nennen – und hat auch gleich das entsprechende Lied im Gepäck, bei dem deutliche Anspielungen zu einem sehr ähnlich klingenden Song von Shaggy hörbar werden. Nach kurzer Einführung der Figuren beginnt dann auch schon das Abenteuer: Im Reggaewald ist ein Feuer ausgebrochen. Zum Glück kann die elefantastische Feuerwehr das »Feuer, Feuer, Feuer« aber löschen, bevor es größeren Schaden anrichtet. Als Brandstifter wird der eigentlich sehr freundliche Drache Alberich enttarnt. Er ist wieder einmal wütend geworden – und immer wenn er wütend wird, spuckt er Feuer. Der Waldbrand war also eher ein Versehen, bringt ihn aber trotzdem ins Gefängnis. Boooo und seine Freunde machen es sich zur Aufgabe, ihn dort rauszuholen. So entwickelt sich eine kurzweilige Erzählung, die sie erst zum Drachologen Professor Schnarchibald ins Mento-Gebirge führt und schließlich mit Praktiken wie Mediation, Yoga und „Anger-Management“ in Berührung bringt. Beinah entsteht der Eindruck, als wolle sich die Geschichte plump dem Zeitgeist anbiedern, doch die inhaltliche Entwicklung führt vor allem zu interessanten musikalischen Mischformen mit zum Teil indischen Einflüssen, die gelungen in die Erzählung eingeflochten werden. Glücklicherweise bedient die Geschichte dabei nicht das überstrapazierte Klischee, dem wütenden Drachen Alberich Reggaemusik als Entspannungskur zu verordnen. Und doch ist ihr Ende eng mit der Musik verzahnt.

Fazit: Oft kommen Hörspiele, die sich musikalische Stilbildung auf die Fahnen geschrieben haben, sehr didaktisch daher. Dieser Vorwurf kann man dieser Geschichte über den Reggaehasen Boooo nicht machen. Zwar zieht sich auch hier das Thema Musik wie ein roter Faden durch die Erzählung, aber nie kippt sie in eine belehrende Tonalität. Eher im Gegenteil: Die Geschichte selbst steht im Vordergrund und wird nur sporadisch durch meist instrumentale Passagen ergänzt. Schade, dass die inhaltlichen Wendungen mehr auf schnelle Pointen, als auf einen ausgewogenen Spannungsbogen setzen. Anstatt jede sich anbietende Anspielung auf die Reggae-Historie mitzunehmen, hätte man etwas mehr Sorgfalt in die Dramaturgie stecken können. Dr. Ring Ding ist auch nicht unbedingt der geborene Sprecher, brilliert mit seiner tiefen Stimme aber als echter Verwandlungskünstler, der jeder Figur eigenen Charakter verleiht. Die größte Leistung dieser Produktion besteht aber darin, konsequent musikalische Stile wie Reggae, Ska, Dancehall und Dub in die Geschichte einzuflechten und sie absolut authentisch abzubilden. Damit setzt sie sich selbstbewusst von anderen Musikhörspielen ab und bereichert das Segment auf eigenwillige Weise. Hinzu kommt, dass die von Łukasz Rusinek illustrierten Bilderbücher all das auch visuell wunderbar in Szene setzen. Trotz einzelner kritischer Aspekte ist also auch das inzwischen vierte Buch über den Reggaehasen Boooo ein gelungenes Gesamtkunstwerk – für alle Genre-Liebhaber*innen und solche, die es noch werden wollen.


Video




Erschienen bei


Voland & Quist

Veröffentlicht


2018

Bewertung der Redaktion: 4/5


Künstler*in



Pressefoto Yellow Umbrella

Yellow Umbrella

Kommentar hinterlassen









×









gefördert von
Christiane Weber Stiftung zur Förderung von Kindermusik
Partner
ConBrio Verlagsgesellschaft