01.01.2021


Sukini: „Schmetterlingskacke“



Ernste Anliegen gepaart mit jeder Menge Spielfreude



Wieder eine Künstlerin, die sich aus der Musikwelt für Erwachsene auf das Glatteis der Gattung Kindermusik wagt. Genrekenner*innen ist Sukini auch unter dem Künstlernamen Sookee bekannt. 2006 veröffentlichte die Berliner Rapperin ihr erstes Album „Kopf, Herz, Arsch“, es folgten weitere Produktionen mit Titeln wie „Bitches Butches Dykes & Divas“ oder „Mortem und Makeup“. Schnell wird klar: Hier handelt es sich um eine Musikerin mit klarer Haltung. Sookee ergreift für die Queer-Szene Partei, engagiert sich gegen Sexismus und positioniert sich gegen Rassismus. Und jetzt macht sie Musik für Kinder? Besorgte Eltern werden sich fragen: Überfordere ich mein Kind mit so viel progressiver Energie?

Nehmen wir die Pointe vorweg: Es wäre eher bedauerlich, würdet ihr eurem Kind diese Produktion vorenthalten. Denn in vielerlei Hinsicht ist Sukini mit „Schmetterlingskacke“ ein bemerkenswertes Kindermusik-Album gelungen. Mit verblüffender Leichtigkeit meistert sie den schwierigen Spagat, Themen wie Vielfalt, Toleranz und Feminismus kindgerecht zu verpacken und dabei konsequent die Perspektive von Kindern einzunehmen. Etwa im Song „Quatsch“, in dem Annika (der vernunftbegabte Sidekick von Pippi Langstrumpf) urplötzlich das schöpferische Potential von Unsinn entdeckt. Irritiert von diesem Persönlichkeitswandel fragt Pippi ihre Freundin: »Warum hast du dich all diese Dinge bisher nicht getraut?« Annikas Antwort: »Astrid hat uns so geschrieben – ich war leise, du warst laut.« Auch in „Prinzessin Peach“ nimmt Sukini den Computerspiel-Helden Mario aus dem Rampenlicht, um Platz für die weibliche Nebendarstellerin zu schaffen und so festzustellen: »In echt hat sie es faustdick hinter‘n Ohren / um gerettet zu werden ist ‘ne Prinzessin nicht geboren.«

Ja, vordergründig stellt Sukini vor allem die bislang etablierten weiblichen Rollenvorbilder in Frage. In „Meine Mamas“ beschreibt sie das Aufwachsen mit zwei Müttern, „Glitzer“ bäumt sich selbstbewusst gegen blau-rosane Geschlechter-Klischees auf. Wer „Schmetterlingskacke“ deshalb als ein Mädchen-Album abstempelt, überhört jedoch die zentrale Botschaft, die sich auf die ein oder andere Weise in praktisch jedem Lied wiederfindet: Sei du selbst, schau dir die Welt aus deiner eigenen Perspektive an und fühle dich ermutigt, sie zu verändern! Die Kultivierung dieser Haltung ist ganz sicher für alle Kinder relevant.

Hervorzuheben ist auch die musikalische Umsetzung der Produktion, denn anders als im Hip-Hop üblich, geben in den meisten Liedern nicht etwa Drum-Computer und Loops den Ton an, sondern echte Instrumente. Anstatt auf verspielte Experimente oder virtuose Soli, konzentriert sich die Band jedoch ganz auf das rhythmische Fundament der Songs und lässt dem gesprochenen Wort damit den Vortritt. Manchmal bleibt die Musik damit unter ihren Möglichkeiten, in den besten Momenten erinnert der Sound aber auch an die musikalische Umsetzung des Genre-Kollegen Käptn Peng.

Fazit: Eltern und Kinder, die mit Rap und Hip-Hop grundsätzlich nichts anfangen können, werden sich auch mit diesem Album schwertun. Vom inhaltsleeren Rumgepose manch zweifelhafter Rap-Kollegen ist es jedoch ebenso weit entfernt, wie von alberner Kindertümelei. So wie bereits der Albumtitel mit einer widersprüchlichen Wortpaarung spielt, wird auch in den einzelnen Songs Gegensätzliches wie selbstverständlich zusammengeführt. Mit „Schmetterlingskacke“ beschert Sukini ihren jungen Hörer*innen ein Feuerwerk an Sprachakrobatik, das bei aller Ernsthaftigkeit jede Menge Spaß macht.

Diese Freude übertrug sich ganz offensichtlich auch auf die Künstlerin selbst. Nach einer veritablen Sinnkrise, die mit grundlegenden Zweifeln am System Musikindustrie einherging, teilte sie ihren erwachsenen Fans via Instagram mit, sich zukünftig ganz auf die musikalische Arbeit für Kinder konzentrieren zu wollen: »Auch die Kindermusik findet in dieser Industrie statt, aber ich merke, dass das ein Feld ist, in dem ich mich nicht so fertig mache. Vielleicht werde ich da auch eines Tages eines Besseren belehrt, aber für den Moment warten dort Freude und Hoffnung auf mich. Die Arbeit an der „Schmetterlingskacke“ war der wohltuendste kreative Prozess in Jahren!« Nicht nur ihr persönlich, sondern auch den vielen Kindern, die nun von ihrer Musik begleitet werden, sei zu wünschen, dass ihre Hoffnung nicht enttäuscht wird.


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Erschienen bei


Karussell / Universal Music GmbH

Veröffentlicht


2019

Bewertung der Redaktion: 5/5


Künstler*in



Pressefoto Sukini

Sukini

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