01.01.2021


Corinna Bilke: „Singen für zwei 3 /Kinderlieder“



Verspielte Entdeckungsreise für die junge Familie



Der Bogen entlockt dem Kontrabass einen tiefen, langgezogenen Ton. Schlagzeugbecken und Klavier gesellen sich zaghaft dazu. Minimalistisch aber umso präziser rollt ein Jazz-Trio der Sängerin Corinna Bilke sprichwörtlich den roten Teppich aus, den sie mit zarter Stimme betritt, um in „Schiff ahoi“ ihre detailreichen Beobachtungen am Hafen, kurz vor Abfahrt eines Schiffes zu schildern.

Schon nach diesen ersten Sekunden wird deutlich, dass wir es hier mit einem für den Kosmos Kindermusik besonderen Werk zu tun haben. Das inzwischen dritte Album aus der Reihe „Singen für zwei“ der Münsteraner Jazz-Sängerin führt den Anspruch ihrer zwei vorangegangenen Produktionen konsequent fort. Das grundlegende Konzept ist dabei so einfach wie bestechend: Corinna Bilke möchte Eltern dazu inspirieren, für ihre Kinder zu singen. „Kinder verstehen den emotionalen Gehalt von Musik viel früher als den von Sprache. Der Gesang der Eltern ist so gesehen Babys erste soziale, emotionale und sensorische Erfahrung. Für die Eltern ist das Vorsingen meist die erste bewusste Kontaktaufnahme und Kommunikation mit ihrem Kind“, so Bilke.

Diese Einschätzung teilen sicher viele Kindermusiker*innen, doch längst nicht alle wissen sie dann auch so gekonnt in Szene zu setzen. Anstatt die Schemata des traditionellen Kinderlieds zu reproduzieren, erfindet Corinna Bilke eigene Geschichten mit poetischer Anmutung und garniert sie - gemeinsam mit ihrer Band - mit all dem, was Jazzmusik zu bieten hat: Harmonisch verspielt lassen die Lieder den Texten wie auch den Instrumenten Raum zur Entfaltung und fallen dabei immer wieder behutsam aus der Form. Geschickt entgehen die vier Musiker*innen dabei der Versuchung, die einzelnen Songs komplex zu überfrachten. Bei allem Anspruch und musikalischen Können bleiben ihre zwölf Kompositionen im positivsten Sinn einfache Kinderlieder, die Alltägliches zum inhaltlichen Ausgangspunkt machen.

Das groovige „Blibbelblubberblasen“ untermalt das Bad in der Wanne, besticht aber auch durch seine besonderen Soundeffekte und das rhythmische Zusammenspiel von Schlagzeug und Stimme. So wie der Wind mit den Blättern, spielt auch „Wenn der Wind weht“ im 6/8-Takt mit den musikalischen Möglichkeiten und erzählt in getragenem Ton vom Herbst. Ähnlich fängt „Weiße Wuschel“ in seinen ersten Takten die geheimnisvolle Stimmung des ersten Schnees ein, um sich dann fröhlich-ausgelassen hineinfallen zu lassen. In „Ameisen“ illustriert eine rastlose Klaviermelodie das lebendige Treiben der kleinen Tiere, bevor sich das Lied zu einem melodiösen Kanon weiterentwickelt. Auch das kraftvolle „Weltraumwesenflugverkehr“ wird zum Kanon, den Corinna Bilke gemeinsam mit Außerirdischen anstimmt. Vergleichsweise chaotisch lädt „Auf dem Mond ganz ungewohnt“ zu einer phantasievollen Reise auf den Planeten ein, „Müde sein“ überzeugt dagegen als klassisch melodiöses Schlaflied. Zum Schluss gibt auch „Bis zur Morgenstund“ zunächst vor, ein Schlaflied zu sein, dreht dann aber nochmal kurz auf und entlässt die jungen Zuhörer*innen mit einer kunstvollen Klavierimprovisation.

Fazit: Auf eindrückliche Weise zeigen Corinna Bilke und ihre Band, welches künstlerische Potential in Kindermusik steckt. Oft wird davon gesprochen, Kindern im Kinderlied mehr zuzutrauen. „Singen für zwei“ münzt diesen Anspruch unmittelbar um, ohne sich dabei in den komplexen Möglichkeiten der Jazzmusik zu verlieren. Überdies verzichtet das Quartett auf technischen Schnick-Schnack und konzentriert sich stattdessen voll darauf, das Klangspektrum der einzelnen Instrumente kreativ auszuschöpfen und die Inhalte der Lieder damit stimmig aufzugreifen. Mit diesem musikalischen Ansatz gewährt Corinna Bilke nicht nur Kindern einen zielgruppengerechten Zugang zu einem lebendigen, von Improvisation und Spielfreude geprägten Genre, sondern auch deren Eltern. „Singen für zwei“ ist auch in seiner dritten Auflage eine außergewöhnliche Entdeckungsreise für die junge Familie mit musikalischem Anspruch. Im Vergleich zu den beiden früheren Veröffentlichungen ist die Produktion sogar noch ein bisschen mutiger, weniger kleinkindlich geraten. Das Mitsingen bzw. Vorsingen wird sich also wohlmöglich nicht wie von allein einstellen – auch wenn das der CD beigefügte und schön illustrierte Liederbuch beste Voraussetzungen dafür schafft. Gut und oft zuhören ist also angesagt. Wie schön, dass es uns diese Platte so einfach macht, genau das voller Freude und Hinwendung zu tun.

Erschienen bei


Eigenvertrieb

Veröffentlicht


2016

Bewertung der Redaktion: 5/5


Künstler*in



Pressefoto Corinna Bilke

Corinna Bilke

Kommentar hinterlassen









×









gefördert von
Christiane Weber Stiftung zur Förderung von Kindermusik
Partner
ConBrio Verlagsgesellschaft