12.11.2021


Tom Lugo: „Abenteuer Musik“



Offbeats für Kita und Kindergarten



Dass Kindermusik in ihrer Gesamtheit mit einem Image-Problem zu kämpfen hat, dürfte maßgeblich mit den zahlreichen Musikproduktionen zusammenhängen, die sich gezielt an Kleinkinder richten. Mit einfachen Spiel- und Bewegungsliedern machen sie spätestens in Kita oder Kindergarten ihre ersten musikalischen Erfahrungen – und mit ihnen ihre Eltern. Doch wer sich als Vater oder Mutter selbst einen halbwegs fundierten Musikgeschmack attestiert, der oder die ist völlig zu Recht empört über die Unambitioniertheit, mit der ein erheblicher Teil der Musikproduktionen für die Kleinsten umgesetzt ist. Texte, die die immer gleichen Klischees bedienen (hüpfen, tanzen, singen, springen) und/oder eine musikalisch uninspirierte und bisweilen auch talentfreie Umsetzung, geben nunmal wenig Anlass zu ausgelassener Begeisterung. Umso schöner, wenn sich inmitten unzähliger Belanglosigkeiten dann mal eine Entdeckung machen lässt, die sich nicht mit dieser Beobachtung deckt. Tom Lugos Platte „Abenteuer Musik“ ist so eine Entdeckung.

Seit mehr als 20 Jahren ist der in Puerto Rico geborene und in München aufgewachsene Musiker Frontmann der Münchener Band Jamaram, die sich mit ihrer Mixtur aus Reggae, Ska, Latin, Afrobeat und Pop vor allem als Live-Band einen ziemlich guten Ruf erspielt hat. Jenseits dieser Leidenschaft ist Tom Lugo aber auch viele Jahre als Musikpädagoge in Kindergärten und Schulen tätig gewesen. Fast zehn Jahre musikalische Arbeit mit Kindern gingen dem Album „Abenteuer Musik“ voraus – viel Zeit, um die Perspektiven, die Phantasie und die musikalischen Vorlieben von Kindern kennenzulernen. Die elf Songs auf dieser Platte sind quasi die Essenz dieser Erfahrungen, die Tom Lugo gemeinsam mit dem in der Reggae-Szene recht bekannten Produzenten Philipp Winter aka. Umberto Echo verewigt hat.

Stilistisch weckt das erste Lied „Der freche Fritz“ zunächst Erinnerungen an die Kompositionen von Fredrik Vahle. In Begleitung von Akustik-Gitarre und Querflöte dekliniert der Song zahlreiche Paarreime durch und sorgt in der Summe für einen vergleichsweise klassischen Einstieg. (»Der Fritz der trägt nen Schlips / der Schlips ist aus Lakritz.«) Gleich der zweite Titel lässt dann aber überrascht aufhorchen. Das vielsprachige Begrüßungslied „Guten Morgen“ kommt nämlich in entspanntem Bossa Nova-Groove daher. Angereichert mit sanften Orgelsounds, untermalt von einer dezent treibenden Baseline und eingebettet in genretypische Offbeats, erinnert „Schade Marmelade“ dann unüberhörbar an den Stil von Jamaram. Viele weitere Lieder lassen sich dem musikalischen Spektrum der Band zuordnen und bringen zugleich musikpädagogische Anregungen mit. „Hallo Leute“ beispielsweise setzt auf die Imitation von Tiergeräuschen, während „Wackelzahn“ eine typische Alltagserfahrung von Kindern aufgreift und dabei so arrangiert ist, dass sie die einzelnen Zeilen im Wechsel mit Tom Lugo direkt mitsingen können. „Wassertröpfchen“ wiederum zitiert phantasievolle Ideen von Kindern auf die Frage, wo sie als Wassertropfen gerne leben würden. (»Wenn ich ein Wassertröpfchen wär, wo fände ich es spitze? / Ich stell mir vor, ich wär in einer Wasserspritze.«) „Eisenbahn“ schließlich verknüpft das Erlebnis einer Zugfahrt mit einem Zoobesuch. Mit über sieben Minuten Länge sprengt der Song jeden gewohnten zeitlichen Rahmen, findet währenddessen aber viele klingende Illustrationen für die Tiere, denen die Kinder auf ihrer Zugfahrt begegnen. Im direkten Vergleich dazu fallen Titel wie das „Blaulichtlied“, das „Instrumentenlied“ oder auch das „Klopflied“ beinah schwach aus. Sie orientieren sich viel stärker an den Prinzipien musikalischer Früherziehung, was im Einzelfall etwas zu didaktisch anmutet. Schlussendlich trüben diese Einzelfälle den positiven Gesamteindruck der Platte aber kaum.

Fazit: Mit „Abenteuer Musik“ ist Tom Lugo ein Album gelungen, auf dem er musikalischen Stilwillen und musikpädagogischen Anspruch absolut glaubwürdig miteinander versöhnt. Deutlich ist seine Liebe zu Reggae-Musik hörbar, die seiner Erfahrung nach auch bei Kindern hoch im Kurs steht. Dynamisch hält sich die Instrumentierung, die sich im Wesentlichen auf Gitarre, Bass und Percussion beschränkt und stellenweise durch Querflöte oder Glockenspiel ergänzt wird, jedoch angenehm zurück und schmeichelt damit ganz bewusst den sensiblen Ohren junger Hörer*innen. Auch die Songstrukturen und Reimschemata orientieren sich an den Bedürfnissen von Kleinkindern und sind allesamt so angelegt, dass sie zum Mitsingen einladen. Unüberhörbar ist darüber hinaus der partizipative Ansatz der Platte. Kinder haben nicht nur viele inhaltliche Ideen beigesteuert, sondern sind auch mit ihren Stimmen in fast allen Songs zu hören. Texte und einfache Mitmach-Tipps im Booklet sowie Karaoke-Versionen zu allen Liedern runden den musikpädagogischen Anspruch ab und lassen keine Wünsche offen. Vor dem Hintergrund dieser fundierten Herangehensweise ist es ziemlich erstaunlich, dass das Album unter Erzieher*innen bisher kaum bekannt zu sein scheint. Und, dass es bislang bei dieser einen Kindermusikproduktion von Tom Lugo geblieben ist. Doch auch wenn „Abenteuer Musik“ schon ein paar Jahre alt ist: Diese Platte bleibt eine Empfehlung für alle, die auf der Suche nach frischen musikalischen Impulsen für Kita und Kindergarten sind. Und was ist mit Mama und Papa? Nun, auf manche Eltern mag auch dieses Album fürchterlich unterkomplex wirken. In erster Linie adressiert es aber nunmal Kleinkinder und nicht deren Eltern, was angesichts des wachsenden Anzahl von Family Entertainment-Produktionen ja auch mal eine schöne Abwechslung ist. Lassen sie sich ruhig auf dieses musikalische Abenteuer ein. Das Mitsingen der Lieder ist auch für Erwachsene ein Kinderspiel – und das gemeinsame Singen mit den eigenen Kindern sowieso ein großer Spaß.


Video




Erschienen bei


Silberfisch/Hörbuch Hamburg

Veröffentlicht


2015

Bewertung der Redaktion: 4/5


Künstler*in



Tom Lugo

Kommentar hinterlassen









×









gefördert von
Christiane Weber Stiftung zur Förderung von Kindermusik
Partner
ConBrio Verlagsgesellschaft