De Phazz und Freunde: „Unsere Welt“

Manchmal ist weniger mehr

Wer sich um die Jahrtausendwende für elektronische Musik aus Deutschland interessierte, der kam an De Phazz praktisch nicht vorbei. Mit Einflüssen aus Dub, Trip-Hop, Drum’n’Base, Jazz und Soul kreierte das Kollektiv um den Produzenten Pit Baumgartner einen loungigen Stilmix, der bis dahin nur wenig Vorbilder hatte. Das seiner Musik oft angeheftete Etikett „Easy Listening“ wird der virtuosen Vielfalt der zahlreichen De Phazz-Alben dabei kaum gerecht. Mit inzwischen 62 Jahren hat Baumgartner nun auch die Gattung Kindermusik für sich entdeckt. Etwas spät, möchte man meinen. Doch tatsächlich hat sich der umtriebige Musiker auch schon früher vereinzelt mit Musik- und Hörspiel-Produktionen für Kinder befasst. „Unsere Welt“ ist aber sein erstes komplettes Kindermusik-Album, das er gemeinsam mit alten wie neuen Weggefährt*innen produziert hat.

Was bei dieser Produktion gleich auffällt, ist dessen konsequente Hinwendung zu sehr jungen Kindern. Anders als die meisten Neulinge in der Gattung Kindermusik, gehen De Phazz und Freunde nicht auf Tuchfühlung mit frühpubertierenden Kids, sondern richten sich gezielt an Kinder im Kita- und Kindergartenalter. Das zeugt von einer mutigen Grundsatzentscheidung, denn zwangsläufig geht die Ansprache von Kleinkindern mit inhaltlichen Limitierungen einher. Will man es zugleich vermeiden, die üblichen Kindermusik-Klischees zu bedienen, dann werden die Herausforderungen umso größer und die kreativen Spielräume nochmal enger.

Pit Baumgartner findet gleich zwei Lösungen für dieses Problem: Rein musikalisch geht er praktisch keine Kompromisse ein. Der durchweg entspannte Sound der Platte erinnert unverkennbar an den Stil von De Phazz und bereichert die Gattung Kindermusik (gerade für die Kleinsten) tatsächlich mit einer neuen Klangfarbe. Inhaltlich vermengt er diesen Sound mit dem, was man Kita-Kindern gemeinhin glaubt zutrauen zu können. So entsteht eine bunte Mischung aus Liedern mit kleinkindlicher Anmutung („Klara, das Kamel aus der Sahara“, „Viren und Bakterien“), musikvermittelndem Charakter („Der Fuchs hat neue Freunde“, „Pop goes the weasel“) und musikpädagogischem Anspruch („Watschen Xylophon“). Neben zwei englischsprachigen Liedern findet sich mit „Ak Koyun Meler Gelir“ auch ein türkisches Kinderlied und mit „Auprès de ma blonde“ ein französisches Volkslied auf der Platte. Das Thema Mehrsprachigkeit wird also auch berücksichtigt – und entsprechend offensiv auf dem Cover beworben. Wem all das noch nicht reicht, der findet auf dem Album auch noch drei Kurzgeschichten, die von wilden Fahrrädern oder einem dicklichen Marmeladenkönig handeln. Nicht zuletzt liegt dem Booklet sogar ein kleines Ausmalbild bei.

Mit anderen Worten: Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bemüht sich „Unsere Welt“, den Erwartungen an eine gelungene Musikproduktion für Kleinkinder gerecht zu werden. Doch mit genau diesem gut gemeinten Rundumschlag schießt das Album weit über das anvisierte Ziel hinaus. Etwas weniger musikpädagogische Ambition hätte ihm gut getan. Den besten Beweis für diese Behauptung liefert die 13-jährige Johanna Krämer, ein an der Produktion beteiligtes Mädchen aus Baumgartners Nachbarschaft. Denn mit „Alles von oben“ liefert sie den authentischsten und damit wahrscheinlich gelungensten Song der Platte ab.

Fazit: „Unsere Welt“ erweitert das musikalische Spektrum für Kleinkinder auf durchaus interessante Weise. Ob das Album aber wirklich, wie im Pressetext zu lesen, „aus dem Stand das Zeug zum Kita-Klassiker“ hat? Ohne Zweifel ist Pit Baumgartner ein erfahrener Musiker und Produzent. Anstatt sich aber vornehmlich auf den „erhabenen und natürlich gereiften De Phazz-Sound“ zu verlassen, hätte er etwas mehr inhaltliche Sorgfalt in diese Produktion stecken dürfen. So wie das Projekt De Phazz für den Mix verschiedener Genres steht, mischen sich auf diesem Album fast alle denkbaren Spielarten von Musikpädagogik – nur leider ohne erkennbaren roten Faden. Unterm Strich klingt das etwas bemüht. Der selbstbewusste Verweis auf eine „musikalisch perfekte Produktion“ ist zwar zutreffend, stellt in der Kindermusik aber schon lange kein künstlerisches Alleinstellungsmerkmal mehr dar. Anstatt das musikalische Erfolgsrezept von De Phazz holzschnittartig mit nicht immer zeitgemäß wirkender Kleinkinder-Ansprache zu kreuzen, hätte mehr künstlerischer Einfallsreichtum diese Platte sicher bereichert. Potential ist unbestritten vorhanden. Dass „Unsere Welt“ aber ausgerechnet mit einer Cover-Version des Songs „Wait“ endet, spricht in diesem Kontext für sich. Der Titel erschien bereits auf dem 2002 veröffentlichen De Phazz-Album „Daily Lama“.

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