Albumcover "Boom Schakkalakka"
26.08.2022


DIKKA: „Boom Schakkalakka“



Kunst oder künstlich?



Eineinhalb Jahre ist es her, dass sich das rappende Nashorn DIKKA mit „Oh yeah!“ auf das Kindermusik-Parkett gewagt hat. Ein Debut-Album, das gelungenes Kinder-Entertainment in den Hip Hop-Sound der 90er-Jahre einbettete und so ziemlich treffsicher Family-Entertainment mit popkultureller Stilbildung mischte. Mit „Boom Schakkalakka“ folgt nun den Nachfolger – bekanntlich das schwierigste, weil das am kritischsten begutachtete Werk eines Newcomers. Schon bei oberflächlicher Betrachtung dieser Produktion erweisen sich allerdings gleich zwei Dinge als kluge Strategie. Zum einen ist die Idee, sich der Maskerade eines drolligen Nashorns zu bedienen ziemlich schlau, denn viele Kinder dürften bunte Comic-Figuren deutlich ansprechender finden, als kindlich agierende Entertainer*innen. Zum anderen ist Rap das mit Abstand populärste Genre bei Jugendlichen – und zunehmend auch bei Kindern. Das beweist nicht zuletzt der Erfolg der Band Deine Freunde, die seit inzwischen 10 Jahren kinder-, familien- und massentauglichen Hip-Hop macht. Doch auch unter der Oberfläche zeigt sich, dass DIKKA alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel zielgerichtet einzusetzen versteht.

Gleich zu Beginn fallen die zahlreichen Gastmusiker*innen auf. Dazu muss man wissen, dass hinter DIKKA der Songwriter Sera Finale steckt. Stand er einst noch selbst als Musiker auf der Bühne, so hat er in den vergangenen Jahren vornehmlich deutschen Popstars zu neuen Hits verholfen. Er ist also gut vernetzt und so verwundert es auch nicht, dass er als DIKKA sehr viel musikalischen Beistand um sich scharen kann. Neben Rap-Kollegen wie Kool Savas, Cro und den bereits erwähnten Deine Freunde, sind auch gerade bei Kindern überaus beliebte Künstler*innen wie Nico Santos, Wincent Weiss oder Lena mit von der Partie. Eine Win-Win-Situation, denn während die Popstars dem Album etwas Fame verpassen, bietet das Nashorn den Musiker*innen eine Plattform, um die Herzen neuer Fans zu erobern. Eben diesen Gastauftritten ist es auch zu verdanken, dass das Album trotz seines Fokus auf Hip-Hop ein überraschend breites musikalisches Spektrum abbildet. Viele Songs greifen den Stil der jeweiligen Musiker*innen auf, ohne dass DIKKA die Zügel dabei ganz aus der Hand geben würde. Im Zentrum steht immer sein Sprechgesang, drumherum finden die Gäste aber auch Raum für eigene Akzente. So schimmert in der Gute Laune-Nummer „Meine Welt“ eindeutig der Sound von Cro durch, während Alvaro Soler beim Cover des weltberühmten Hits „La Bamba“ eine lateinamerikanische Note einbringen darf. Dem Schlaflied „Immer für dich da“ (feat. Lena) gelingt sogar eine stimmige Symbiose aus Rap und einer süßlich gehauchten Einschlafmelodie.

Inhaltlich wechselt DIKKA zuverlässig zwischen heiteren Themen und ernsten Anliegen. Während der Opener „Yo!“ kaum mehr tut als humorvoll in lässige Szenesprache einzuführen, entpuppt sich „Du gehörst dazu“ (feat. ELIF) als einfühlsame Hymne für Vielfalt und Toleranz. (»Wenn wir uns verstehen, dann wird alles leicht / denn das was unser Herz sagt, klingt in allen Sprachen gleich.«) Im Titelsong „Boom Schakkalakka“ (feat. Wincent Weiss) wird ein strahlend weißes Lächeln zum Symbol völliger Unbeschwertheit erhoben, während „Glücklich“ (feat. Luna) Kinder zu einer zukunftsoffenen Haltung ermuntert und dabei subtil gendersensible Sprache thematisiert. (»Vielleicht bist du später Prinz oder Fußballerin, Erzieher oder Lokführerin / du kannst sein was du willst, Astronautin oder Feuerwehrfrau / probier doch einfach alles mal aus.«) DIKKA’s Spezialgebiet ist es allerdings, Referenzen zu Vorbildern aus der Vergangenheit herzustellen. „Eis Eis Baby“ (feat. Nico Santos) weckt Erinnerungen an den Sommerhit „Ice Ice Baby“ von Vanilla Ice und ausgerechnet der provokante Titel „Fuck tha police“ von N.W.A. dient als Vorlage für den Song „Frag the police“, der Kinder in ihrer naiven Neugier anspricht und ernst nimmt. (»Warum stinken Fische, obwohl sie immer baden? Wie kommen Betreten verboten-Schilder mitten auf den Rasen? / Fahren Streifenhörnchen auch mal Streifenwagen? Wer kann mir das sagen?«) Am besten ist diesbezüglich aber wohl „Candyshop“ (feat. Kool Savas) geraten. Musikalisch dicht am Original, macht der Song den Künstlernamen seines Urhebers zum Ausgangspunkt für eine heitere Shoppingtour durch das Süßigkeitenkaufhaus. (»Ey yo, hip zum hop, ich geh in den Candyshop / kauf das ganze Sortiment / Dikka, ich hab 50 Cent.«) Es sind vor allem diese Bekenntnisse zu musikalischen Vorbildern, die dem Album besondere Authentizität verleihen und DIKKA zu einem interessanten Musikact für Kinder machen.

Fazit: „Boom Schakkalakka“ umgarnt seine jungen Hörer*innen nach allen Regeln des Musikmarktes. Der Herausforderung gute Kinderlieder zu schreiben begegnet Sera Finale mit der gebotenen Sorgfalt und Professionalität – und zweifellos kommen noch ein paar Privilegien hinzu, die ein gut vernetzter Akteur im Pop-Business nunmal hat. Manchmal wirkt der aus diesen Voraussetzungen entstehende Perfektionismus allerdings etwas überambitioniert. Spätestens wenn der Bonustrack „Ihr kriegt uns nie mehr klein“, ein Song, der schon im Winter zum Tag der Kinderrechte erschienen ist, der Betroffenheit aus „Do they know it’s christmas“ von Band Aid nacheifert, ist der Bogen überspannt. In solchen Momenten erweckt „Boom Schakkalakka“ den Eindruck eines Konzeptalbums, das wie am Reißbrett entworfen alles richtig zu machen versucht. Gewollt und gekonnt zugleich. Meistens ist es aber von einer derart positiven, lebensbejahenden und stärkenden Tonalität durchzogen, dass es schlichtweg Freude bereitet. DIKKA erfindet viele kreative Wortspiele, die kindliche Perspektiven klug aufgreifen und das Zuhören zum Vergnügen machen – auch für Eltern. Wer jedoch verhindern möchte, dass sich Kinder Phrasen wie „Was geht, digga?!“ aneignen oder ihren Wortschatz um Begriffe wie „krass“ oder „fett“ erweitern, der sollte besser die Finger von der Platte lassen. Denn DIKKA bedient sich fortlaufend dieses klischeebehafteten Slangs um eine Ansprache zu finden, die zu gleichen Teilen cool und harmlos daherkommt. Auffällig ist nicht zuletzt auch, dass viele Tracks kaum länger als drei Minuten sind. Eine Strategie, die sich günstig zu den Vergütungsschlüsseln von Streaming-Diensten verhält und besonders häufig im Hip-Hop-Genre zur Anwendung kommt. Wie gesagt: Hier wurde wirklich nichts dem Zufall überlassen. Die Frage, ob das niedliche Nashorn DIKKA damit nun Kunst oder doch eher künstlich ist, lässt sich demzufolge nicht ganz eindeutig beantworten. Beim Balanceakt zwischen Tradition und Innovation verliert man nunmal ab und an das Gleichgewicht.


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Erschienen bei


Karussell/Universal Music GmbH

Veröffentlicht


2022

Bewertung der Redaktion: 4/5


Künstler*in



DIKKA

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