01.01.2021


Markus Reyhani: „Der dickste Brummer der Welt“



Wellness-Programm für die kindliche Seele



Seit vielen Jahren zeigen sich Kinderpsychologen besorgt über die soziale und emotionale Entwicklung von Kindern. Einer von ihnen ist Michael Winterhoff, der seine Beobachtungen aus der Praxis in immer wieder neuen Bestsellern mit Titel wie „SOS Kinderseele“ oder „Warum unsere Kinder Tyrannen werden“ niederschreibt. Anstatt von naiver Unbekümmertheit und neugierigem Tatendrang, sei der Alltag vieler Kinder von Stress und Überforderung gekennzeichnet. Verhaltensauffälligkeiten seien die Folge. Will man seinen Worten Glauben schenken, so ist es gegenwärtig schlecht um die Kindheit bestellt.

Diesem Klagelied setzt Markus Reyhani dieses andächtige Kindermusik-Juwel entgegen. Schon seit 2013 sind Kinderlieder Teil seines umfangreichen kreativen Schaffens. Mit „Der dickste Brummer der Welt“ legt der studierte Musiker bereits sein viertes Musikalbum für Kinder vor und erweitert darauf seine bewährten Stärken als erfahrener Songwriter mit einem überzeugenden konzeptionellen Ansatz. Gleich der erste Song „Affenbaum“ leitet in eine Fragestellung ein, die sich wie ein roter Faden durch die weitere Liedersammlung zieht: Wie gelingt es mir, ich selbst zu sein? Das ist eine wahrlich große Frage, auf die selbst Philosophen keine einfache Antwort geben können. Reyhani kann das auch nicht. Der Clou aber ist: Er will es auch gar nicht. Stattdessen machen seine Lieder Kindern das offene Angebot, sich der Frage nach dem Sinn des Lebens aus unterschiedlichsten Perspektiven zu nähern.

Das klingt bis hierher wahrscheinlich wahnsinnig verkopft und angestrengt. Tatsächlich sind die Lieder aber alles andere als das. Reyhani pflegt einen sehr verspielten Umgang mit Musik, reichert seine Songs mit unzähligen Sounds und Klängen an und bevorzugt – neben einer weitestgehend akustischen Umsetzung – klare kompositorische Strukturen. Anders gesagt: Wer nicht so genau zuhört, findet mit „Der dickste Brummer der Welt“ immer noch ein Album vor, dass schon allein durch seine Musikalität zu überzeugen vermag. Wer aber einen Schritt weitergeht und sich auch inhaltlich auf die Lieder einlässt, der wird mit einem Wellnessprogramm für die Seele belohnt. Das Lied „Genug“ ermuntert in beschwingtem Rhythmus zu Selbstakzeptanz. (»Wenn ich nur eine Blume male, dann bin ich genug / wenn ich heute nicht wie die Sonne strahle, dann bin ich genug.«) „Kastanienbäume“ lädt zur Suche nach einem Platz ein, an dem ein Kind gerne zur Ruhe kommt. (»Dort ist es ganz leise, dort klingt es ganz laut / dort wohnt ein Geheimnis für jeden der sich zu suchen traut.«) „Gedanken spazieren“ erklärt auf anschauliche Weise eine der grundlegendsten Weisheiten aus dem Buddhismus: Du bist nicht deine Gedanken! (»Sie haben immer was zu sagen und immer ist es wirklich wichtig / ist der eine gerade fertig, spricht der andere augenblicklich / doch manchmal sind sie gar nicht laut / nein, manchmal sind sie still / immer dann, wenn ich das so will.«) Und der Song „Manni Müll“ findet eine für Kinder gut nachvollziehbare Analogie für die unsichtbaren Lasten unserer Seele. (»Wieso schleppt er seinen Müll am Abend und am Morgen / du wirst lachen, ich kenne Leute die machen das auch / nicht mit Müll, doch mit ihren Lieblingssorgen.«)

In insgesamt 12 Liedern spielt Reyhani mit Variationen der immer gleichen Botschaft, die da lautet: Lausche deiner inneren Stimme! Mutig spricht das Album gerade auch die verschlossenen Gemüter an. Es nimmt sie behutsam an die Hand, vermeidet es dabei aber, belehrend oder gar ideologisch zu klingen. Das ist eine wahrhaft meisterliche Leistung, die Vorbildcharakter für die gesamte Kindermusik-Szene hat.

Fazit: Schon mit seinem ersten Album hat Markus Reyhani gezeigt, dass er ein herausragendes Talent für besondere Kinderlieder hat. „Der dickste Brummer der Welt“ markiert jedoch den vorläufigen Höhepunkt seines Schaffens als Kindermusiker. Das Album ist eine dezent instrumentierte und doch überaus heiter klingende Ermunterung zum freigeistigen Denken. Es spricht Kinder als selbstbestimmte Menschen mit eigenen Gedanken, Träumen, Sorgen und Befindlichkeiten an. Wie Michael Winterhoff es wohl finden würde? Ohne seine Arbeit als Kinderpsychologe in Frage stellen zu wollen, tendiere ich zu der Empfehlung: Beschenken Sie sich und ihr Kind lieber mit diese Platte, als mit einem seiner Bücher.


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Erschienen bei


Chatterhum Music

Veröffentlicht


2020

Bewertung der Redaktion: 5/5


Künstler*in



Pressefoto Markus Reyhani

Markus Reyhani

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