Albumcover "Große Pause"
23.06.2023


Anton: „Große Pause“



So nah und doch so fern



Vor rund zwei Jahren setzte Anton Nachtwey aka. Anton erstmals seinen Fuß in die Kindermusikszene. Ausgestattet mit viel Know-How als Musiker und Songwriter, wagte er mit seinem Album „Ertappt“ den schwierigen Spagat zwischen Kindermusik und Popmusik und versah das Ergebnis selbstbewusst mit dem Etikett „Familienpop“. Für meinen Geschmack hatte dieses Debüt nur wenig mit Kindermusik im klassischen Sinne zu tun, denn ein Großteil der Songs atmete das Lebensgefühl junger Menschen, die sich selbst gar nicht mehr als Kinder verstehen – etwas zu cool und abgeklärt kam die aufdringlich jugendliche Rhetorik von Anton daher. Nach zwei Jahren steht er nun mit seinem zweiten Album „Große Pause“ in den Startlöchern und auf den ersten Blick könnte man meinen, er hätte sich meine Kritik tatsächlich zu Herzen genommen. Seine Songs sind zwar nach wie vor von einer ziemlich lässigen Grundhaltung, lauten Elektro-Beats und verzerrten Vocoder-Stimmen geprägt und behalten damit ihre gewollte Nähe zur durchformatierten Popmusik. Inhaltlich hat Anton seinen Fokus aber deutlich in Richtung Kindheit verschoben.

Ausgehend von der Schulpause bricht zum Beispiel der Titelsong „Große Pause“ (feat. Bürger Lars Dietrich) eine Lanze für ausgedehnte Atempausen – und zwar nicht nur im Schulalltag. (»Macht was draus, feiert sie / ladet eure Batterie.«) Ziemlich unverdächtig feiert „Bestis“ die Freundschaft (»Du bist mein Besti / wie Brudi und Schwesti«), während „ABC“ das Alltagsalphabet von Anton durchdekliniert und damit fast schon didaktische Ansprüche durchschimmern lässt. „SATT“ kommt mit viel Bass und reichlich perkussiver Energie daher und verhandelt den klassischen Familienkonflikt übers Aufessen. Eher verträumt greift „Raumschiff“ (feat. KID CLIO) dagegen kindlichen Einfallsreichtum auf und lädt zu einer Phantasiereise ins Weltall ein. „Held“ würdigt das innige (Spannungs-) Verhältnis zwischen Geschwistern. Für Irritation sorgt hier allerdings die orchestral angelegte Klangkulisse, für die sich Anton etwas zu großzügig an seinen virtuellen Sound-Libraries bedient hat. In „Mein Name ist Hase“ stellt sich dann sogar noch der Osterhase persönlich vor. Durch seinen Feiertagsbezug fällt der Song natürlich etwas aus dem Rahmen. Vor allem markiert er aber einen von zwei Polen im letztlich doch ziemlich breiten Spektrum von Antons musikalischen Arbeit für Kinder.

Am anderen Ende dieses Spektrums steht das Lied „Eiswürfel“, das ein entspanntes Sommergefühl vermitteln möchte. Mit seinen aufdringlichen Beats und Metaphern wie »klackernden Eiswürfeln im Glas« und einem »Leben im Fahrtwind«, wäre der Song an den einschlägigen Partystränden im Mittelmeer allerdings deutlich besser aufgehoben, als auf einem Kinderkonzert. (»Dieser Sommer ist ne Fete wert / denn dieser Sommer der ist legendär - yeah.«) Auch wenn Anton in „Mein Crush“ über die erste Liebe singt, geht er auf Distanz zu den Hörer*innen, mit denen er doch eben noch Ostereier gesammelt hat. (»Kein Plan, wie man das macht / doch du bist mein Crush, mein Crush, mein Crush.«) Vergleichsweise funky wirft er dann in „Cringe“ (feat. Ich & Herr Meyer) einen Blick auf die Licht- und Schattenseiten der eigenen „Fam“ (Familie), nimmt dabei aber ziemlich unvermittelt plötzlich auch die Perspektive der Eltern ein. (»Auch wenn ich mir das wirklich gerne anders wünsch / Eltern sind von Natur aus irgendwann cringe.«) In ihrer Gesamtheit wirkt diese Mixtur aus gewohnt jugendlicher Attitüde und kindlicher Unbekümmertheit etwas willkürlich und uninspiriert. „Halb so schlimm“ singt Anton bereits im ersten Song, in dem er für einen entspannten Umgang mit Missgeschicken wirbt. Irgendwie ist es bezeichnend, dass er ausgerechnet diesen Titel zum Opener seines neuen Albums auserkoren hat.

Fazit: Eines muss man Anton auf jeden Fall lassen: Die Coolness, die seine Musik ausstrahlen soll, vermag er ziemlich glaubwürdig zu transportieren, ohne dabei ins Peinliche abzudriften. Mit diesem Image füllt er in der Kindermusikszene definitiv eine Leerstelle. Es bleibt aber unklar, welches Kindheitsbild dieser Platte zugrunde liegt. Zwischen Ostereiersuchen und dem ersten Date liegen für gewöhnlich schon ein paar Jahre, die aus kindlicher Perspektive betrachtet einer halben Ewigkeit gleichen. Richtig viele Informationen gibt Anton zu seiner künstlerischen Haltung aber leider nicht preis. Immerhin kommt man ihm im „Song Song“, einem Lied, das er im letzten Jahr mit dem Duo Ich & Herr Meyer veröffentlicht hat, ein bisschen auf die Schliche. Stil und Zielgruppe definiert Anton darin wie folgt: »Ein bisschen Bass aus der Hüfte, einfach ein paar lockere Sprüche / ein bisschen Herz für die Streetkids, die mit nem Schlüssel um den Hals auf dem Sportplatz.« Es zeugt sicher von Konsequenz, sich diesem sehr plakativ umschriebenen Milieu verpflichtet zu fühlen. Am Ende hat sich Anton für seinen Spagat zwischen Kindermusik und Popmusik aber trotzdem ein bisschen überdehnt. Dabei braucht es für ein gelungenes Kinderlied doch eigentlich gar keine Verrenkungen. Leider trägt er dieser Erkenntnis aber erst im allerletzten Song des Albums Rechnung. Musikalisch auf die Begleitung einer Akustik-Gitarre reduziert, gesanglich dafür aber umso verspielter, findet Anton hier gleich mehrere Deutungsebenen für die drei Worte „Komm mal runter“. So kreativ, unaufgeregt und nahbar hätte er sich auf „Große Pause“ ruhig öfter zeigen dürfen.


Video




Erschienen bei


Karussell / Universal Music GmbH

Veröffentlicht


2023

Bewertung der Redaktion: 2/5


Künstler*in



Anton

Ein Kommmentar



24.06.2023 07:25

Pädagogisch wertvoll



Diese "Rezension" ist einfach nur Gäääähn... Musik darf auch mal Spaß machen, ohne irgendwelchen pädagogischen Ansprüchen genügen zu müssen. Anton traut sich was, jenseits von "pädagogisch wertvollem" "Setz dich hin und hör mal zu.".

Merken Sie eigentlich noch, dass das, was Sie im Gegenzug feiern, niemand mehr hören will, nichtmal mehr die Kids, die bei Oma aufwachsen?

#

Kommentar hinterlassen









×









gefördert von
Christiane Weber Stiftung zur Förderung von Kindermusik
Partner
ConBrio Verlagsgesellschaft