19.02.2021


Dominik Merscheid: „Im Spiel“



Kinderliedermacher 2.0



Sollte es so etwas wie einen Prototyp für unabhängig agierende Kindermusiker*innen geben, dann ist Dominik Merscheid ein gutes Beispiel dafür. Nicht nur, weil er sich als Autodidakt zu einem talentierten Multiinstrumentalisten entwickelt hat, sondern vor allem auch, weil er zielstrebig und konsequent an der Umsetzung seines individuellen Verständnisses von Kindermusik gearbeitet hat. Mit „Im Spiel“ liegt nun das Ergebnis dieses langjährigen Prozesses vor, auf dem sich der 33-jährige Musiker durchaus vielseitig und im wahrsten Sinne des Wortes verspielt zeigt.

Gleich der erste Song „Komm wir geh’n raus!“ führt beschwingt in die detailverliebte Klangwelt von Dominik Merscheid ein und entpuppt sich als fröhliche Hommage an den Wechsel der Jahreszeiten. Mit dem sich anschließenden „Flohmarkt“ legt er gleich noch eine Schippe drauf. Der Song sprudelt geradezu vor positiver Energie, spart aber zugleich nicht an kindgerechtem Wortwitz. Nach diesen zwei Songs dürften sich unter erwachsenen Hörer*innen die Geister aber bereits scheiden. Denn entweder begeistert einen diese Verbindung von akustischer Instrumentierung und überzeugt kindgerechter Anmutung auf Anhieb, oder man stempelt sie als unzeitgemäß und überholt ab.

Ich persönlich oute mich gerne als Fan dieser musikalischen Herangehensweise. Dominik Merscheid erfindet die Gattung Kindermusik zwar nicht neu, bereichert sie aber um etliche gelungene Songs mit vielen liebevoll umgesetzten erzählerischen Ideen: „Ding-Dong“ etwa greift die kreisrunde Struktur des Kinderlied-Klassikers „Wenn der Topf aber nun ein Loch hat“ auf. „Laaangweilig“ widmet sich der Paradoxie des wahrscheinlich unerträglichsten Gemütszustandes eines jeden Kindes (»Draußen ist es kalt und fahl / der Himmel voller Regen, / doch letztlich ist das auch egal / ich will mich eh nicht bewegen.«). Gleich danach dreht „Spielst du mit?“ den Spieß um und erinnert an die gestalterische Kraft kindlicher Phantasie, mit der garantiert keine Langeweile aufkommt. „Ohne mich!“ überzeugt wiederum als humorvolle Ermutigung zu Charakterstärke. (»Lieber hüpfe ich ne Stunde ohne Pause / und gröle dazu schief und schauerlich. / Lieber bleibe ich bei Sonnenschein zu Hause / also, kurz gesagt: Ohne mich.«)

Nach reichlich Tempo und vergleichsweise viel Input, kippt das letzte Drittel des Albums dann in eine deutlich ruhigere Tonalität. Leicht melancholisch erinnert „Im Sommer vor einigen Jahr’n“ an längst vergangene Abenteuer. Mutig gibt „Nichts mehr so wie früher“ der Trauer um einen verstorbenen Weggefährten Raum – ob Mensch oder Tier, das lässt Merscheid bewusst offen. Orchestral arrangiert und im Stil eines Seemannslieds erzählt „Jetzt oder nie“ die Geschichte einer tapferen Piratin. Und wie es bei fast allen Kindermusik-Platten Sitte zu sein scheint, endet auch dieses Album, begleitet von Blockflöte und gezupfter Gitarre, schließlich mit dem „Abendlied“.

Fazit: Mit „Im Spiel“ steht Dominik Merscheid in der Tradition klassischer Kinderliedermacher*innen, überzeugt dabei aber dennoch mit eigener Handschrift. Es ist ein Album, das viele typische Merkmale von Kinderliedern aufgreift und behutsam weiterentwickelt. Musikalisch wie thematisch halten sich größere Überraschungen dabei in Grenzen. Gerade kompositorisch beugen die Lieder eingefahrenen Hörgewohnheiten jedoch gekonnt vor. Auch stilistisch pfeift Merscheid auf den Zeitgeist. Stattdessen fühlt er sich ganz seinem eigenen Sound verpflichtet, in dem sich gemütliche Lagerfeuerromantik mit energetischen Folk- und melodiösen Popmusik-Einflüssen vermengt. Vor allem jüngere Kinder werden Freude an seinen sorgsam arrangierten Songs haben. Und wir als Erwachsene dürfen, beeindruckt von einer derart gewissenhaften Fleißarbeit, die Dominik Merscheid praktisch im Alleingang bewältigt hat, anerkennend den Hut ziehen. Mit „Im Spiel“ positioniert er sich selbstbewusst als Kinderliedermacher einer neuen Generation und bringt sich als interessanter Nachwuchskünstler ins Spiel.


Video




Erschienen bei


recordJet

Veröffentlicht


2021

Bewertung der Redaktion: 4/5


Künstler*in



Dominik Merscheid

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