22.01.2021


DIKKA: „Oh yeah!“



Sido im Kinderzimmer?!



Bevor eine falsche Erwartungshaltung entsteht: Nein, hinter DIKKA steckt nicht wirklich Sido, sondern
Sera Finale, laut Pressetext einer der erfolgreichsten Songwriter in Deutschland. In den letzten Jahren hat er mit so verschiedenen Künstler*innen und Bands wie Culcha Candela, Udo Lindenberg, Helene Fischer oder Adel Tawil zusammengearbeitet – und eben auch mit Sido. Mindestens zwei Dinge hat Sera Finale mit ihm gemeinsam: Zum einen tummelt auch er sich schon seit vielen Jahren im Rap-Business. Zum anderen versteckt er sich als Kindermusiker, ähnlich wie Sido zu Beginn seiner Karriere, hinter einer Maskerade. Denn DIKKA ist ein Nashorn mit Turnschuhen und Goldkettchen. Die Idee, mit dieser grundsympathisch wirkenden Kunstfigur bei Kindern landen zu wollen, erscheint etwas gewollt und reichlich klischeebeladen, bildet aber die erzählerische Grundlage für diese Produktion.

Hören wir also zu, was das Nashorn Kindern auf seinem ersten Album musikalisch mitzuteilen hat. „Oh yeah!“ beginnt mit einem kurzen szenischen Intro: Live aus einem Helikopter berichtet die Reporterin Steffi Storch von DIKKAS Ausbruch aus dem Nashornhaus im Berliner Zoo. Zusammen mit den anderen Tieren feiert das Nashorn nun eine „Party im Zoo“. Der Song reißt einen erstmal nicht so recht vom Hocker, doch es braucht ihn wohl, um irgendwie plausibel in die Lebenswelt des rappenden Rhinozeros einzuführen. Mit selbstbewusster Haltung kommt der nächste Titel „Kann ich allein“ dagegen deutlich überzeugender daher. (»Mit Taucherbrille Haare waschen, ohne zu weinen / das kann ich allein, das kann ich allein.«) Zugleich lässt er erahnen, was den jungen Hörer*innen hier musikalisch blüht.

Ein Rap-Album für Kinder zu produzieren, kann inzwischen nicht mehr als innovative Idee bezeichnet werden. Deine Freunde, Sukini oder auch D!E GÄNG sind nur drei aktuelle Beispiele, die die Popularität des Genres bei Kindern belegen. Zwischen diesen Künstler*innen hat DIKKA aber eine Nische ausfindig gemacht und sie klug besetzt. Denn sein beatlastiger Stil orientiert sich deutlich am Hip-Hop der 90er-Jahre und eifert erkennbar großen Vorbildern nach. Während DIKKA in “Rolle durch den Kiez” zum Beispiel auf dem Fahrrad (und ohne Stützrad!) durch sein Viertel cruist, erinnert der Sound stark an Snoop Dogg. Und es ist wohl auch kein Zufall, dass “Pommes mit Mayo” im Refrain der eingängigen Hookline von „Hip Hop Hooray” (Naughty By Nature) nacheifert, ohne die Kinder dabei inhaltlich aus dem Blick zu verlieren.

Mit dieser Herangehensweise gelingt es Sera Finale und seinem prominenten Produzententeam (The Krauts und FNSHRS.), der Gattung Kindermusik spannende neue Facetten hinzuzufügen. Ein Highlight der Platte ist der Song „Grau“, der die triste Hautfarbe der tierischen Kunstfigur mit einer schönen Message verbindet. (»Meine Lieblingsfarbe ist grau / ich pfeife auf rosa und auf blau / und das hat seinen Grund / manchmal wird mir alles zu bunt.«) Auch „Kakka“ überzeugt mit einer feinsinnigen sprachlichen Wendung. Während der Titel die Erwartung auf schlüpfrigen Wortwitz weckt, findet der Track ein anschauliches Sinnbild für die Endlichkeit. (»Ist schon spät, Schuhe an / komm, wir machen uns vom Acker / irgendwann ist alles Kakka.«) Vereinzelt stehen dem Dickhäuter auch bekannte Popstars zur Seite. So zelebriert der Titelsong „Oh yeah!“ den kindlichen Freigeist zusammen mit Mark Foster und in „Superpapa“ greift dann tatsächlich auch Sido zum Mikrofon, um die heldenhaften Charakterzüge cooler Väter aufzuzählen. Das in romantische Klavierklänge gebettete „Bis zum Mond“ (feat. Lea) setzt mit seiner leicht überzuckerten Anmutung schließlich den Schlusspunkt des Albums. Der vorletzte Titel „Ich geh nicht ins Bett“ hätte mit seinem Mix aus „Old MacDonald had a farm“ und dem Beat von “Jump Around” (House of Pain) jedoch ein deutlich stimmigeres Ende ergeben.

Fazit: Für sein Kindermusik-Debut hat Sera Finale sein musikalisches Talent, seine Fähigkeiten als Songwriter und nicht zuletzt sein Netzwerk zu einem stimmigen Ganzen vermengt. “Oh Yeah!” ist eine Hommage an den Hip-Hop, den viele Eltern noch aus ihrer eigenen Jugend kennen dürften. Es ist aber auch ein maßgeschneidertes Kindermusik-Album, das gezielt auf Erfolg getrimmt ist. Das ist jedoch nicht als Vorwurf, sondern vielmehr als Feststellung gemeint. Es schadet ja nicht, wenn sich vermehrt Musikprofis und -promis der Gattung Kindermusik annehmen – so lange sie ihre Popularität überzeugend in den Dienst der Zielgruppe stellen. Dieser Produktion gelingt das in den allermeisten Momenten auf vorbildliche Weise. Mit rund 30 Minuten Laufzeit ist sie ebenso kurz wie kurzweilig geraten. Umso erstaunlicher ist es, dass offenbar niemand bereit ist, sein Gesicht dafür herzugeben. Die Inszenierung als Nashorn ist im Grunde völlig überflüssig, fügt der Platte aber keinen größeren Schaden zu. Vielleicht liegt darin sogar der entscheidende Schlüssel zum Erfolg? Die Gorillaz zum Beispiel existieren ja auch nur als virtuelle Band, die von Comicfiguren personifiziert wird. Und zumindest im Zoo ist der Weg vom Nashornhaus zum Gorilla-Gehege in der Regel ein kurzer.


Video




Erschienen bei


Karussell/Universal Music GmbH

Veröffentlicht


2021

Bewertung der Redaktion: 4/5


Bewertung der Leser*innen: 1/5


Künstler*in



DIKKA

Ein Kommmentar



19.03.2024 16:33

Kiki



Ich mag diene Music sehr

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