07.05.2021


Gorilla Club: „OK cool!“



Kinderlieder jenseits aller Konventionen



In Zeiten von Pandemie und Kontaktbeschränkungen kann es herausfordernd sein, die Motivation hoch und die Kreativität lebendig zu halten. Die Band Gorilla Club hat sich von der Krise aber offenbar nicht unterkriegen lassen und den Corona-Lockdown für die Arbeit an ihrem zweiten Kindermusik-Album genutzt. „Neue Musik zu produzieren wurde für die in ihren Aktivitäten fast vollständig eingeschränkte Band Trost, Vergnügen, Begegnungs- und Bewältigungsstrategie“, lesen wir im Pressetext zu „OK cool!“. War die Arbeit an neuen Kinderliedern also nicht mehr als ein willkommener Lückenfüller in der Krise?

Tatsache ist: Für Stefanie Schrank und Björn Sonnenberg, den zwei kreativen Köpfen hinter Gorilla Club, gehören Kinderlieder schon seit längerem zum künstlerischen Repertoire. 2016 steuerten sie mit „Von hier oben“ ihren ersten musikalischen Beitrag zur Compilation-Reihe „Unter meinem Bett“ bei, kurz darauf folgte die Gründung des Kollektivs Gorilla Club und 2018 schließlich das erste Kindermusik-Album „1-2-3-4!“. Noch viel länger mischen die beiden Kölner Musiker*innen als Locas in Love aber die deutschsprachige Indie-Szene auf. Mit reichlich Abstand zu verklärter Romantik und oberflächlicher Befindlichkeitslyrik prägt die Band seit 2001 einen musikalischen Stil, der viel lieber mit Erwartungen bricht, als ihnen leichtfertig entsprechen zu wollen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Gründung einer Kindermusikband ausgesprochen schlüssig. Vor allem aber dürfen wir unterstellen, dass „OK Cool!“ die konsequente Fortführung einer künstlerischen Idee ist, die da lautet: Auch im Kinderlied lässt sich hervorragend mit all den kreativen Möglichkeiten spielen, die Popmusik in seiner ganzen Vielseitigkeit zu bieten hat.

Inhaltlich führt „Fakten über Oktopoden“ die Hörer*innen aber erstmal auf eine falsche Fährte, denn der Opener kommt wie ein vertontes „Was ist was“-Buch über Oktopusse und damit erstaunlich didaktisch daher. (»Ein Kopf und acht Arme, die alles checken / die alles erreichen und begreifen in allen Ecken / schnell wie ein Düsenjet und stark wie ein Auto / und woosh - Tintenstrahl, plötzlich unsichtbar.«) Über diesen Song hinaus hält sich die Band jedoch nur wenig mit Fakten oder pädagogischen Intentionen auf – eher im Gegenteil. Zwar reiht der Titelsong „OK COOL! #DFDT“ zunächst gut gemeinte Ratschläge Erwachsener aneinander, jedoch nur, um sich dann selbstbewusst davon zu distanzieren. (»Es ist eine Empfehlung, ein gut gemeinter Rat / die Sache hat nur einen Haken, ich hab nicht danach gefragt.«) Auch „Rezepte“ weckt nur vordergründig Assoziationen zu einem vertonten Kochkurs, regt tatsächlich aber zur phantasievollen Resteverwertung an, die so manche Eltern an den Rand der Verzweiflung treiben dürfte. „Mein Block“ widerum ist eine vom weltoffenen Zeitgeist geprägte, überaus harmlose Replik auf einen von Rapper Sido geprägten Songtitel. Nur vier Songs, die exemplarisch für das Spiel mit Erwartungen und der bewussten Abweichung davon stehen.

In seiner musikalischen Umsetzung steht das Album diesem Ansatz in nichts nach. Es ist kaum möglich, den Stil von Gorilla Club konkret zu erfassen, denn fast jeder Titel erschafft ein neues Klanguniversum, das aus ebenso vielen melodiösen Fragmenten wie futuristischen Sounds besteht. Einzelne Songs wie „Oh Gomi“ oder „Penaten“ treiben diese Herangehensweise gezielt auf die Spitze. Viele andere Lieder, wie etwa „Im Kino“, „Fotos“ oder „Streit“ stellen aber so klare Bezüge zur Lebenswelt von Kindern her, dass sie die vergleichsweise experimentelle akustische Umsetzung ausgesprochen gut vertragen. In diesem Umfeld ist „Versuchs noch einmal“ das vermutlich eingängigste und damit auch klassischste Kinderlied, das sich aber zumindest noch dem schlichten Paarreim verweigert. (»Versuchs noch einmal, du musst es nicht besser machen / und auch nicht anders machen / eigentlich musst du gar nichts.«) Dass sich Stefanie Schrank und Björn Sonnenberg inmitten dieser Vielfalt auch noch die Rolle am Mikro gleichberechtigt aufteilen, macht die Produktion zu einem in jeglicher Hinsicht gelungenen Beispiel für Kindermusik, die innerhalb der Gattung eigene künstlerische Maßstäbe definiert.

Fazit: Mit „OK cool“ sprengen Gorilla Club die in den Köpfen vieler Menschen noch immer vorherrschenden Schemata des einfachen Kinderlieds und beweisen, dass die Zeiten stilistischer Eingrenzungen auch in der Kindermusik ein für allemal vorüber sind. Das Album macht die Lebenswelt von Kindern zum Ausgangspunkt für manchmal anarchisch wirkende Soundexperimente, die jedoch nie willkürlich vermengt, sondern immer sorgsam abgewogen klingen. Ja, das kommt in manchen Momenten vergleichsweise sperrig daher, macht aber auch Lust, sich eingehender mit dem Album zu beschäftigen. Damit leistet die Platte einen gelungenen Beitrag für die musikalische Sozialisation von Kindern, auf den sie sich auch in zehn oder zwanzig Jahren noch berufen können, ohne vor Scham erröten zu müssen. „OK Cool“ ist ein Album für das aufgeweckte Kind mit musikalischer Anspruchshaltung. Folgerichtig ist das letzte Lied „Im Bett“ auch kein Lied zum Ein-, sondern ein mehrsprachiges, verträumtes und mit acht Minuten Länge sehr ausschweifendes Plädoyer zum Ausschlafen. Klassisch mit einem Schlaflied zu enden, hätte dieser Produktion auch definitiv nicht gut zu Gesicht gestanden.


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Erschienen bei


Oetinger Audio

Veröffentlicht


2021

Bewertung der Redaktion: 5/5


Künstler*in



Gorilla Club

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